© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/15 / 12. Juni 2015

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Krieg gegen den Bundestag
Paul Rosen

Gegen das deutsche Parlament wird Krieg geführt. Wahrscheinlich schon seit Monaten läuft ein Angriff gegen das Computer-Netzwerk des Bundestages. Die Angelegenheit wird inzwischen grotesk: Weil die Linkspartei dagegen ist, darf die Spionageabwehr (das Bundesamt für Verfassungsschutz) nicht tätig werden. Die Dimension des Falles wird an einem Vergleich deutlich: Genausogut könnte man der Bundeswehr verbieten, einen Angriff auf das deutsche Territorium abzuwehren.

Der „Cyberangriff" auf die Rechner des Parlaments hat mehrere Dimensionen. Da ist zunächst die Attacke selbst, hinter der mehrere Medien sofort die amerikanische NSA vermuteten. Das lag ja schließlich nahe, denn die Amerikaner hatten auch das Handy von Kanzlerin Angela Merkel abgehört. Allerdings führen die Spuren des Angriffs zu einem Server in Mittel- und Osteuropa. Und die Nutzung dieses Servers ließ in der Vergangenheit immer auf russischen Urheber der Attacken schließen.

Computerfachleute kamen zu dem Ergebnis, daß die über Spam-Mails und fingierte Handy-Rechnungen eingeschleusten Datenpakete sich so tief in das Bundestagssystem eingegraben haben, daß eine Bekämpfung mit den bekannten Methoden ergebnislos bleiben würde. Die einzige sichere Methode der Bekämpfung wäre ein Reset der gesamten Bundestags-Kommunikationstechnik mit dem schönen Namen „Parlakom." Dann müßten Briefe und Unterlagen auf allen Rechnern zunächst gesichert und danach alle Betriebssysteme einschließlich Parlakom neu aufgespielt werden. Bei mindestens 10.000 Rechnern, die zudem über die Wahlkreisbüros über das ganze Bundesgebiet verteilt sind, wäre das eine Herkulesaufgabe, deren Erledigung mehrere Monate dauern und das ganze Parlament entsprechend lahmlegen würde. Das erscheint unmöglich. Daher wird nach anderen Lösungen gesucht, und solange wird hingenommen, daß der Bundestag für fremde Dienste einfach zugänglich sein könnte.

Die andere Dimension ist das Verhalten der Linksfraktion, die die Spionageabwehr nicht im Bundestag haben will, denn die Geheimdienste „stehen gerade nicht für transparente Verfahren", wie die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken, Petra Sitte, erklärte. Der Widerstand der Linken könnte ganz andere Gründe haben, wird im Bundestag gemutmaßt. Bei einer Aufräumaktion in allen Computern könnten Daten ans Tageslicht kommen, die möglicherweise kriminelle Hintergründe haben und die Ermittlungsbehörden auf den Plan rufen müßten. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, was da alles ans Tageslicht kommen könnte: von Demonstrationsplanungen wird gesprochen, aber verwiesen wird auch auf den Fall des ehemaligen Abgeordneten Sebastian Edathy (SPD), der über den Bundestagsserver auf anstößige Bilder von Kindern im Internet zugriff. Könnte es sein, daß ein Sumpf zum Vorschein kommen würde, den man lieber nicht kennen lernen will? Denn es wäre für die Große Koalition leicht, die Linken zu überstimmen und für Transparenz in den Bundestagsdaten zu sorgen.