© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/15 / 12. Juni 2015

Fahndungserfolge im Minutentakt
Innere Sicherheit: Nach den Grenzkontrollen zum G7-Gipfel wächst der Druck auf die Politik, das Schengen-Abkommen zu überarbeiten
Paul Leonhard

Die Politik hat seit den Ausschreitungen Mitte März in Frankfurt am Main Angst vor gewaltbereiten Demonstranten aus dem Ausland. Deswegen hat sie anläßlich des G7-Gipfels am vergangenen Wochenende in Oberbayern vorübergehenden Kontrollen an den deutschen Außengrenzen zugestimmt. Diese Kontrollen wiederum waren ein voller Erfolg. „Unsere Beamten arbeiten erfolgreich die Fahndungsbücher ab", hieß es etwas flapsig von der zuständigen Bundespolizei. Täglich wurden Dutzende Ausländer, vor allem polnische Staatsbürger, festgenommen, die wegen diverser Delikte von Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland gesucht werden. Aber auch Hunderte Illegale konnten gestellt und anschließend ausgewiesen werden.

Gestohlenes Gut wurde ebenso beschlagnahmt wie Waffen und Drogen. An der Grenze zu Österreich wurden allein an einem Tag 190 größtenteils aus Eritrea stammende Personen aufgegriffen. Auf der Autobahn 17 bei Breitenau holte die Polizei 35 unerlaubt eingereiste Albaner und Mazedonier aus einem Reisebus.

In den sozialen Netzwerken und den Leserbriefspalten der Zeitungen zeigen sich die Bürger begeistert von den bis zum 15. Juni möglichen Kontrollen und plädieren für deren Fortsetzung über den Gipfel hinaus. Die Politik soll das Schengen-Abkommen überarbeiten, dessen Grenzkodex Kontrollen nur in Ausnahmesituationen zuläßt. Zu den ersten, die den Stimmungsumschwung erkannt haben, gehört der sächsische Europaabgeordnete und frühere Generalsekretär der Sachsen-Union, Hermann Winkler. „Es grenzt an Hohn, daß die Hilferufe verängstigter Bürger und um ihre Existenz bangender Unternehmer aus den sächsischen Grenzregionen jahrelang wirkungslos verhallen, während die Sitzung der G7-Finanzminister als Grund für Grenzkontrollen ausreicht", legt Winkler den Finger in die Wunde: „Offenkundig haben sich hier Prioritäten in eine merkwürdige Richtung verschoben, was zum Teil auch den Vertrauensverlust in Politik erklärt und eine sinkende Wahlbeteiligung mit all ihren Konsequenzen mit sich bringt."

Bedürfe es angesichts der „nahezu im Minutentakt" erfolgten Aufdeckung von Drogen- und Waffenschmuggel sowie illegaler Einwanderung eines „besseren Beweises, daß Grenzkontrollen funktionieren und Sachsen sicherer machen?" fragt der Christdemokrat in einem Schreiben. Aus seiner Sicht sei die Wiedereinführung von Personenkontrollen längst überfällig, gerade um die Akzeptanz für das wichtige Projekt Europa nicht weiter zu gefährden. Ähnlich sieht es die sächsische AfD-Vorsitzende Frauke Petry. Auch über das Treffen der G7-Finanzminister hinaus müsse die Bundespolizei an den Grenzübergängen Sichtkontrollen vornehmen dürfen.

Genau das wird aber von Bundesinnenminister Thomas de Maizière abgelehnt. Derartige Fahndungserfolge gebe es auch nach Verkehrskontrollen, versucht der Christdemokrat die Kontrollerfolge kleinzureden. Deutschland habe das Schengen-Abkommen unterschrieben und müsse sich an die dort gewährte Freizügigkeit innerhalb der Unterzeichnerstaaten halten. Sein Parteifreund Winkler verweist dagegen darauf, daß es weder um die Einschränkung der Reisefreiheit in Europa noch um eine Behinderung des freien Warenverkehrs gehe, sondern darum, den „Grenzverkehr im Auge zu behalten und stichprobenartig zu kontrollieren". Von Landes- und Bundesregierung fordert Winkler ein klares Bekenntnis zur Wiedereinführung der Kontrollen: „Um glaubwürdig zu bleiben, muß Politik in der Lage sein, falsche Entscheidungen zu korrigieren."

Tschechen reagieren
verärgert

Der Freistaat Bayern hatte schon Anfang des Jahres eine Wiedereinführung der Grenzkontrollen gefordert und mit seiner „Schleierfahndung" die tschechischen Nachbarn verärgert. Damals hatte das Bundesinnenministerium verschnupft auf den Vorstoß von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) reagiert, der bei de Maizière angesichts der nach Bayern drängenden Flüchtlinge eine Anpassung des Schengen-Abkommens anmahnte.

Nun ist es ausgerechnet die Angst der Spitzenpolitiker vor dem Volk, die für zeitweise Grenzkontrollen sorgt. „Der Gipfel sorgt für mehr Sicherheit in den Grenzregionen", konstatiert auch Jörg Radek, für die Bundespolizei zuständiger Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Die Menschen würden sich diese Sicherheit jedoch nicht nur alle acht Jahre, sondern alltäglich wünschen. Radek erinnert aber auch daran, daß die Wiederaufnahme von Grenzkontrollen zu Aufgriffen bei genau den Delikten führe, bei denen in der Vergangenheit Personal für überflüssig gehalten worden sei.