© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/15 / 12. Juni 2015

Die Mädchen löten, die Jungs stricken
Schule: CDU-Bildungsministerin Johanna Wanka wünscht sich ein Unterrichtsfach „Alltagswissen“
Richard Stoltz

Die Mathematik-Professorin Johanna Wanka (CDU), zur Zeit Bundesministerin für Bildung und Forschung, hat in einem Interview mit der Bild am Sonntag einen ungewöhnlichen Sehnsuchtsseufzer ausgestoßen. Befragt, ob sie es nicht für angebracht halte, an den Schulen ein Spezialfach für gutes Benehmen einzuführen, immerhin 75 Prozent der Bevölkerung wünschten sich das, antwortete sie: Nein, lieber hätte sie die Einführung eines Fachs „Alltagswissen".

Gutes Benehmen brauche man im Grunde nicht zu lernen, entweder man habe es, oder man habe es nicht. Ein Fach „Alltagswissen" hingegen sei durchaus sinnvoll – und bitter nötig! Kaum ein mittlerer Schulabgänger verfüge über handwerkliche Fähigkeiten, obwohl er sie in einem Spezialfach sehr wohl hätte lernen können: richtige Ernährung und Kochen beispielsweise, primäres Umgehen mit Werkstoffen wie Holz oder Metall, Löten, Knöpfe annähen, Stricken, Kennenlernen von Grundmedizinen …

Die Suada der Ministerin klang – ungewollt natürlich – fast wie ein Lobpreis der guten alten Zeit. Denn die von ihr so herbeigewünschten Alltagsfächer gab es ja schon einmal in den sogenannten „Volksschulen" seligen Angedenkens, wenn auch nach Geschlechtern getrennt: für die Jungen das Löten und Holzsägen, für die Mädchen das Kochen und Stricken, für Jungen und Mädchen zusammen das Kennenlernen von Grundnahrungsmitteln und Grundheilmitteln.

Nach der „Kulturrevolution" der Achtundsechziger wurden alle diese schönen Fächer von den einzelnen Bundesländern peu à peu abgeschafft, zuerst selbstverständlich im damals kulturrevolutionären Hessen und in Bremen, ohne daß bekanntgeworden wäre, daß sich irgendwer in CDU und CSU groß darüber aufgeregt hätte. Heute haben wir nun den Salat. Die jungen Männer können nicht einmal mehr richtig Holz hacken, und gut gekocht wird hauptsächlich nur noch im Fernsehen von den sogenannten Star und Sterneköchen, merkwürdigerweise übrigens überwiegend Männern.

Da hilft nur eins: rasche, länderübergreifende Wiedereinführung der Alltagsfächer, wenn auch geschlechterübergreifend. Die Jungs lernen Knöpfe-annähen, die Mädchen löten. Und alle zusammen lernen Gender-Vokabular.