© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/15 / 12. Juni 2015

Aus dem Alltag kaum mehr wegzudenken
Hamster, Hipster, Handy: Eine Ausstellung in Frankfurt am Main widmet sich Mobiltelefonen
Claus-M. Wolfschlag

Eine der sichtbarsten Veränderungen des Straßenbildes der letzten beiden Jahrzehnte entstand durch ein kleines technisches Gerät: das Mobiltelefon. Zwar wurde das erste Mobiltelefonat bereits 1973 durch Motorola-Ingenieur Martin Cooper geführt, die erste gewerbliche Zulassung eines Geräts erfolgte aber erst zehn Jahre später. Und erst in den Neunzigern begann in Deutschland der Siegeszug der Geräte. Heute sind sie aus dem Alltag kaum mehr wegzudenken.

Das erste relevante in Deutschland verkaufte US-Handy, ein Motorola, sah noch aus wie ein dicker Knochen, wog ein halbes Kilo und kostete 3.000 Mark. Die Geräte wurden bald immer kleiner, 1999 entwickelte Nokia das erste Handy mit Internetzugang, Damit war der Weg zum 2007 der Weltöffentlichkeit vorgestellten iPhone bereitet. Inzwischen wird ungehemmt überall im öffentlichen Raum telefoniert, es hat eine Revolution der Kommunikation stattgefunden.

Heute ist das Smartphone nicht nur Telefon, sondern auch Fotoapparat, Videobildschirm, Computer, Terminkalender, Fitneßtrainer, Enzyklopädie, Taschenlampe – und Statussymbol. Da das Smartphone zahlreiche Funktionen in sich vereinigt, wurden viele einst gängige Gegenstände in ihrer Bedeutung eingeschränkt, wenn nicht hinfällig: Die Schau im Frankfurter Museum Angewandte Kunst nennt als Beispiele Armbanduhren, Taschenkalender und Stadtpläne. So liegt es nahe, daß sich zunehmend auch Künstler des Phänomens annehmen. Die Ausstellung präsentiert folglich ein buntes Potpourri an künstlerischer Auseinandersetzung mit Mobiltelefonen.

Als gegensätzliche Leitfiguren des Ausstellungstitels fungieren der Hamster und der Hipster. Der Hamster steht für die Skepsis, der Hipster für die Begeisterung gegenüber der neuen Technik. Während die Nager um die Jahrtausendwende als Versuchstiere hinsichtlich möglicher Schädigungen des Gehirns und Gehörs genutzt wurden, entwickelte sich mit dem Hipster der Typus des bejahenden Konsumenten und Trendnutzers.

Gleich im Eingang zeigt Anne de Vries die Skulptur eines antiquiert überdimensionalen Handys, auf dessen Display die megalithische Grabstätte von Stonehenge zu sehen ist; eine Verschmelzung Tausender Jahre der Menschheitsgeschichte also. David La Chapelle verbindet in seinen bearbeiteten Fotografien altmeisterlich arrangierte Stilleben und moderne Accessoires; alte PET-Flaschen und Handys zwischen Weintrauben und welkenden Blüten weisen auf die Vergänglichkeit aller Dinge hin. Britta Thie hat die Wischspuren auf Smartphone-Displays fotografiert, Robert Voit wiederum zahlreiche als Bäume getarnte Mobilfunkmasten.

Mit „Schöne neue Welt" hat Ann-Sophie Parker so etwas wie ein spirituelles Andachtsbild gemalt. Gieren unten die Massen dem technischen Fetisch entgegen, so scheint von oben ein aus Kabeln und Lautsprechern herabsinkender „heiliger Geist" eine meditativ schwebende Frauenfigur mit Kreativität zu füttern. Diese Kreativität zeigt Yamaoka Seikou am Beispiel der App „Art Studio", mit der es möglich ist, Rembrandt-Gemälde auf dem Handy nachzumalen. Alte künstlerische Verfahren und neue Technik verbinden sich so zu ganz neuen Möglichkeitsfeldern.

Doch auch die Kritik wird in der Ausstellung nicht ausgeblendet. Florian Mehnert präsentiert in einer Installation zahlreiche unfreiwillig entstandene Videosequenzen, bei denen ein Schadprogramm die Kontrolle über die Handy-Kamera ahnungsloser Nutzer übernommen hatte. Er setzt sich dabei mit den Risiken hinsichtlich des Datenschutzes auseinander. Zudem weist die Schau darauf hin, daß Mobiltelefone auch auf einem teils sorglosen Umgang mit der Umwelt fußen, benötigen sie doch einerseits „Seltene Erden", so daß in Afrika und Indien Arbeiter unter gesundheitsschädlichen Bedingungen ihrem Tagwerk nachgehen müssen, und führen andererseits zu Müllbergen aus Elektroschrott.



Die Ausstellung „Hamster Hipster Handy. Im Bann des Mobiltelefons" ist noch bis zum 5. Juli im Frankfurter Museum Angewandte Kunst, Schaumainkai 17, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr, zu sehen. Telefon: 069 / 21 23 40 37


www.museumangewandtekunst.de


Kyle Bean, Evolution der Mobiltelefone: Es hat eine Revolution der Kommunikation stattgefunden