© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/15 / 12. Juni 2015

Zwei Tage vor Waterloo
Vor 200 Jahren fiel der legendäre „Schwarze Herzog“ in der Schlacht von Quatre-Bras / Einst wurde er verehrt wie Ferdinand von Schill oder Andreas Hofer
Christian Vollradt

Das französische Artilleriefeuer an diesem Nachmittag des 16. Juni 1815 war heftig. Die Truppen der Grande Armée des aus dem Exil zurückgekehrten Napoleon wollten den Ort Quatre-Bras in Wallonisch-Brabant mit seiner strategisch wichtigen Straßenkreuzung einnehmen, um eine Verbindung der britischen Truppen unter dem Befehl Wellingtons mit ihrem preußischen Alliierten unter Blücher zu verhindern.

Zur Reserve der Briten gehörte auch ein knapp 7.000 Mann starkes Braunschweigisches Korps unter Herzog Friedrich Wilhelm, dessen Infanterie dem Ansturm der Franzosen nicht mehr gewachsen war. Als Friedrich Wilhelm heranritt, um seine Soldaten wieder zu sammeln, wurde er getroffen und erlag noch am selben Abend der Verwundung. Den Sieg über Napolen zwei Tage später im benachbarten Waterloo erlebte er nicht mehr.

„Unser Landesvater ist gefallen! /Auf der Wahlstatt fleußt sein Theu’res Blut./Nimmer soll sein Thatenruhm verhallen./ Ewig sei gepreist sein ed’ler Muth", dichtete der aus dem Braunschweigischen stammende August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Bereits zu Lebzeiten wurde Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg (geboren 1771) als Held der Befreiungskriege in einer Reihe mit Ferdinand von Schill oder Andreas Hofer vom nationalbewußten Bürgertum in Deutschland verehrt.

Der „Schwarze Herzog", wie man ihn wegen seiner Uniform nannte, hatte nach dem Tod seines 1806 bei Auerstedt gefallenen Vaters die Herrschaft in seinem Stammland nicht übernehmen können. Das kleine Fürstentum war im Frieden von Tilsit von Frankreich annektiert und dem „Königreich Westphalen" unter Jerome Bonaparte zugeschlagen worden. Der vertriebene Fürst belieh seine Besitzungen im schlesischen Oels und stellte mit Unterstützung Österreichs ein etwa 2.000 Mann starkes Freikorps auf – die „Schwarze Schar", so benannt wegen ihrer schwarzen Uniformen und dem Totenkopf am Tschako. 1809 siegte die Truppe unter schweren Verlusten bei Halberstadt gegen die Franzosen. Für kurze Zeit zog der Herzog in seine Haupstadt ein; als der erhoffte Volksaufstand gegen die fremden Herren ausblieb, setzte sich Friedrich Wilhelm mit seinen Soldaten nach Großbritannien ab. An der Seite der von Hannoveranern gestellten King’s German Legion kämpfte die Truppe des Schwarzen Herzogs unter anderem in Spanien. Erst nach der Niederlage Napoleons 1813 und der Flucht des Königs von Westphalen konnte er zurück nach Braunschweig, wo ihn die Bevölkerung begeistert empfing.

Der Tod des Herzogs auf dem Schlachtfeld sowie seine mit der Heldenverehrung verbundene Popularität – sogar in England kleidete man sich schwarz „à la Brunswick-Oels" – mögen ihren Anteil daran gehabt haben, daß auf dem Wiener Kongreß die Teilnehmerstaaten ihre Zustimmung zur Wiederherstellung des Herzogtums Braunschweig in seinen alten Grenzen gaben. Für die beiden noch unmündigen Söhne Friedrich Wilhelms trat der Prinzregent von Großbritannien, der spätere König Georg IV. ein.

Heute ist der „Schwarze Herzog" – außerhalb der Region Braunschweig – weitgehend vergessen. Um so erfreulicher, daß rechtzeitig zu seinem 200. Todestag der ihm zu Ehren 1890 errichtete Braunschweiger Löwe im belgischen Genappe in neuem Glanz erstrahlt. Die feierliche Enthüllung des erneuerten Denkmals nahm der deutsche Botschafter in Belgien im Beisein von Diplomaten aus Großbritannien und Frankreich vor.