© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/15 / 12. Juni 2015

Knapp daneben
Reine Gewöhnungssache
Karl Heinzen

 

Dave und Sarah Jones liegen niemandem auf der Tasche. Was er als Betreuer in einer Kindertagesstätte und sie als Verkäuferin am Monatsende herausbekommen, reicht in einer teuren Metropole wie London aber kaum zum Leben. Anstatt zu jammern, nahmen sie ihr Schicksal in die eigene Hand, kündigten ihren Mietvertrag und zogen auf ein Hausboot auf der Themse. Das neue Domizil bietet zwar noch weniger Platz als das winzige Apartment, das sie zuvor bewohnten, kostet aber auch nur die Hälfte. Sollten sie so fünf Jahre lang durchhalten, müßten sie, so ihre Rechnung, genug gespart haben, um sich die Anzahlung für eine Behausung an Land zu leisten. Die Voraussetzung dafür wäre allerdings, daß die Immobilienpreise stabil bleiben. Leider deutet alles auf einen weiteren explosionsartigen Anstieg hin. Das Ehepaar Jones ist kein Einzelfall. Die Kommunalverwaltung der britischen Hauptstadt schätzt, daß bereits 10.000 Bürger auf schwimmende Unterkünfte ausgewichen sind.

Die Bürger haben bereits ohne Murren akzeptiert, daß ein Alleinverdiener keine Familie ernähren kann.

Es wird allmählich eng auf den raren Gewässern, und man muß darüber nachdenken, wie sich der Wildwuchs in den Griff bekommen läßt. Am Ende, und dies stimmt zuversichtlich, dürften auch hier die Gesetze des Marktes zum Tragen kommen: Wer sein Hausboot an bevorzugten Lagen festmachen möchte, wird dafür eben tiefer in die Tasche zu greifen haben. An den unattraktiven Anlegestellen wiederum wird der hohe Aufwand, um zur Arbeit zu kommen, die Ersparnis aufwiegen.

Neue Ideen sind also erforderlich, um Menschen wie dem Ehepaar Jones eine Perspektive zu bieten. Man könnte sie ermuntern, in Wohnmobile oder Wohnwagen umzuziehen, oder in Grünanlagen Zeltstädte oder Schlafcontainer für sie aufstellen. Vor allem aber gilt es, einen Bewußtseinswandel anzustoßen. Die Bürger haben bereits ohne Murren akzeptiert, daß ein Alleinverdiener keine Familie ernähren kann. Dann sahen sie ein, daß dies auch von Doppelverdienern nicht zu leisten ist. Nun müssen sie bloß noch den Anspruch aufgeben, von ihrem Arbeitseinkommen wenigstens den eigenen Lebensunterhalt bestreiten zu können. So schwer dürfte das doch wirklich nicht sein.