© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/15 / 19. Juni 2015

Die CSU sägt am Schengen-Abkommen
Innere Sicherheit: Bayerns Finanzminister Markus Söder befeuert die Diskussion über eine Wiedereinführung der Grenzkontrollen
Christian Schreiber

In dem kleinen luxemburgischen Ort – mitten im Dreiländereck zwischen Deutschland und Frankreich gelegen – knallten am Wochenende die Sektkorken. Doch rechte Feierstimmung wollte auch beim Festakt anläßlich des 30jährigen Bestehens des Schengener Abkommens nicht aufkommen. Die Vereinbarung von damals fünf EG-Staaten im kleinen luxemburgischen Moselort sei ein historischer Fortschritt Europas gewesen, sagte der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD). Er warnte angesichts des Zustroms von Flüchtlingen in die Europäische Union, den Verzicht auf Grenzkontrollen in Frage zu stellen. 

Das Schengener Abkommen gilt mittlerweile in 26 Ländern, doch zuletzt mehrten sich Forderungen, zumindest eine Auszeit in Erwägung zu ziehen. Am 14. Juni 1985 hatten Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Belgien und die Niederlande den schrittweisen Abbau der Grenzkontrollen vereinbart. Seitdem sind Grenzkontrollen im Schengen-Raum nur noch als Stichproben sowie bei besonderen Anlässen erlaubt. Nach der zeitweiligen Wiedereinführung von Kontrollen aufgrund des G7-Gipfels waren in Bayern aber 135 Haftbefehle vollstreckt und mehr als 10.000 Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz festgestellt worden.

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) hat das Abkommen nun öffentlich in Frage gestellt. Die Regelung gehöre auf den Prüfstand, schrieb er in einem Gastbeitrag für die Bild am Sonntag. Freizügigkeit sei zwar ein hohes Gut, dürfe aber den Schutz der Bürger nicht gefährden. Er verwies dabei auf die „Weigerung mancher EU-Staaten, ihren Anteil bei der Bewältigung der rasant steigenden Flüchtlingszahlen zu übernehmen“. Wenn sich in Europa nichts ändere, müsse in Deutschland eine „Schengen-Auszeit“ geprüft werden, zitiert der Münchner Merkur: „Die aktuelle Entwicklung bringt Bayern an den Rand seiner finanziellen und personellen Möglichkeiten“, sagte Söder. Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber kosteten in diesem und im nächsten Jahr bis zu drei Milliarden Euro. „Mit drei Milliarden Euro könnte man fast 

50.000 Lehrerstellen finanzieren oder 460.000 Studienplätze schaffen.“ Unterstützung erhielt der Bayer vom sächsischen Innenminister Markus Ulbig (CDU): „Nach den Erfahrungen rund um den G7-Gipfel kann man nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergehen“, sagte er der Leipziger Volkszeitung. Zwar könne das Schengen-Abkommen nicht ausgehebelt werden, man müsse aber darüber nachdenken, Ausnahmeregelungen zu erweitern. Sachsen plane daher bei der Innenministerkonferenz eine entsprechende Initiative mit Bayern. Der Spiegel hatte zuvor berichtet, in EU-Kreisen wachse die Furcht vor einem Ende des Abkommens. 

Seehofer widerspricht Merkel

Auf einer Sitzung des Strategischen Ausschusses für Einwanderung, Grenzen und Asyl warnte ein Vertreter der Kommission vor einem Zusammenbruch des Schengen-Systems: „Wenn wir für die derzeitigen Herausforderungen keine Lösungen finden, dürfte es schwer werden, Schengen beizubehalten“, zitierte das Magazin aus einem Protokoll.

Die bayerische Grünen-Vorsitzende Margarete Bause kritisierte Söders Worte in der Süddeutschen Zeitung als „antieuropäischen und rechtspopulistischen Vorstoß“. Mit diesen Äußerungen trete er in einen Wettlauf mit der AfD ein, und es gehe ihm allein um die Abschottung vor Flüchtlingen. Regierungssprecher Steffen Seibert sah sich am Montag genötigt, im Auftrag von Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Klarstellung herauszugeben, daß die Bundesregierung „keine Veränderung des Schengen-Grenzkodex anstrebt“. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer widersprach postwendend. „Wir wollen die Frage nach dem Umgang mit der Schengen-Außengrenze in Berlin dauerhaft auf die politische Tagesordnung setzen“, sagte der CSU-Politiker. In den bayerischen Ministerien werde geprüft, welche Schlußfolgerungen gezogen werden müßten. „Wir brauchen Lösungen mit Substanz“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.