© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/15 / 19. Juni 2015

Knapp daneben
Drohnen können nicht nur morden
Karl Heinzen

Drohnen haben einen schlechten Ruf. Der Öffentlichkeit erscheinen sie als schauderhafte Tötungsapparate, mit denen uniformierte Nerds Menschen in fernen Einöden abschlachten, weil sie diese für blutrünstige Terroristen halten. Drohnen können aber nicht nur morden. Noch viel besser können sie überwachen. Dies macht sie für zivile Anwendungen interessant. Anders als in der internationalen Politik ist die Rechtlosigkeit im normalen gesellschaftlichen Leben noch nicht so weit fortgeschritten, daß man Menschen, die Regeln verletzen oder Ansprüchen nicht genügen, ohne weiteres liquidieren dürfte. Man möchte aber doch wenigstens herausfinden, wen man gut gebrauchen kann und wen nicht, um dann diejenigen, die durchs Sieb fallen, ins soziale Abseits zu stellen.

Menschen können ihre Augen nicht überall haben, und überdies sind sie oft parteiisch und bestechlich.

Mit Menschen allein läßt sich eine umfassende Kontrolle aber nicht in der erforderlichen Qualität sicherstellen. Ihre Sensorik ist mangelhaft. Sie können ihre Augen nicht überall haben, und überdies sind sie oft parteiisch und bestechlich. Man benötigt daher Maschinen, um menschliches Fehlverhalten zuverlässig aufzudecken.

Diese Einsicht hat sich selbst in China durchgesetzt, einem Land, das so bevölkerungsreich ist, daß es nie an Personal zur Überwachung und Gängelung der Bürger mangeln sollte. Bei den jährlichen Eignungstests, in denen sich für Millionen von Jugendlichen entscheidet, ob sie es mittels Unistudium zu etwas bringen oder als billige Arbeitskräfte im Dienst des Wirtschaftswunders verheizt werden, verläßt man sich unterdessen lieber auf Drohnen, die aufklären, ob die Prüflinge unerlaubte Hilfsmittel benutzen.

Damit werden neue Maßstäbe für das Bildungswesen gesetzt. Bald wird man mit Mikrodrohnen Schwindlern und Faulenzern auf die Spur kommen, die im Schulbus die Hausaufgaben abschreiben oder in ihrer Freizeit sinnlosen Vergnügungen nachgehen, anstatt sich dem Lernstoff zu widmen. Zugleich wird damit eine subtile Elitenförderung betrieben. Nur wer diese ganze Überwachung austricksen und den Leistungsdruck unterlaufen kann, hat das Format, es bis ganz nach oben zu schaffen.