© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/15 / 26. Juni 2015

Juristischer Doppelschlag
AfD: Zwei spektakuläre Entscheidungen des Bundesschiedsgerichtes heizen den parteiinternen Streit bei den Euro-Kritikern weiter an
Marcus Schmidt

Dramaturgie kann die AfD. Als wäre die Situation der Partei vor dem Mitgliederparteitag Anfang Juli nicht schon verfahren und aufgeheizt genug, verschärfte ein Doppelschlag des Bundesschiedsgerichts Anfang der Woche die Lage weiter. Die Ende Januar in Bremen beschlossene neue Satzung ist ungültig, und der von AfD-Sprecher Bernd Lucke initiierte Verein „Weckruf 2015“ muß vom Bundesvorstand aufgelöst werden. Vor allem die Entscheidung zum Weckruf hat das Potential, die bereits bestehende Spaltung innerhalb der Partei zu vertiefen. 

Dem Urteil des Parteigerichts liegt eine Klage des AfD-Kreisverbandes Dachau-Fürstenfeldbruck zugrunde. Darin wird dem Weckruf unter anderem vorgeworfen, er habe versucht, Ende Mai in die Vorstandswahl der AfD in Hessen einzugreifen. In einer E-Mail habe der Verein seine Mitglieder aufgefordert, bestimmte Entscheidungen und Kandidaten zu unterstützen. Dieses Vorgehen sei auch für den Bundesparteitag in Essen zu erwarten. Um dies zu unterbinden, sei besondere Eile geboten, zitieren die Richter aus der Klageschrift.

Richter lassen eine Hintertür offen

In einer ersten Stellungnahme zeigte sich Lucke erstaunt über den Beschluß und kritisierte, daß dieser gefällt worden sei, ohne daß das Gericht „die Gegenseite“ angehört habe. Er kündigte an, daß der Bundesvorstand der AfD auf seiner nächsten Sitzung über den Beschluß des Schiedsgerichtes beraten werde. Dem Vernehmen nach ist vor dem Parteitag allerdings keine Vorstandssitzung mehr geplant. Möglich sei aber, eine Telefonkonferenz einzuberufen, hieß es aus dem Vorstand.

Die Weckruf-Mitgründerin und schleswig-holsteinische AfD-Chefin Ulrike Trebesius sprach dem Urteil des Schiedsgericht in einer E-Mail an die Mitglieder des Vereins „jegliche rechtliche Wirkung“ ab. Es handele sich um „eine Entscheidung zum Kopfschütteln“. Das Schiedsgericht gehe davon aus, daß der Weckruf im Sinne der AfD-Satzung eine Vereinigung innerhalb der Partei sei und der Parteigerichtsbarkeit unterliege. Da Partei-Vereinigungen laut Satzung jedoch nur auf Beschluß des Konvents der AfD (also des kleinen Parteitages) gegründet werden könnten, dieser aber noch nie getagt habe, sei die Argumentation des Gerichts falsch. Sogar unmöglich ist nach Ansicht von Trebesius die Aufforderung an den Vorstand, den Verein „Weckruf 2015“ aufzulösen. „Der Bundesvorstand der AfD hat weder das Recht noch die Befugnis, die Auflösung irgendeines Vereines anzuordnen. Dies gilt für den Weckruf 2015 genauso wie für den FC Bayern München oder das Deutsche Rote Kreuz“, schreibt die Europaabgeordnete. 

Luckes Kontrahentin um die Parteispitze, Co-Sprecherin Frauke Petry, nahm das Urteil dagegen mit Genugtuung auf. „Damit hat die höchste juristische Instanz der AfD bestätigt, daß politische Richtungsentscheidungen allein dem Bundesparteitag und somit den Mitgliedern vorbehalten sind“, sagte sie.  Ähnlich äußerte sich AfD-Sprecher Konrad Adam. „Das ist die zweite drastische Niederlage Bernd Luckes bei dem Versuch, der Partei seinen Willen aufzudrängen“, sagte Adam der JUNGEN FREIHEIT mit Blick auf die Weckruf-Entscheidung und den bereits im Mai vom Schiedsgericht gekippten Mitgliederentscheid zur künftigen Ausrichtung der AfD. Sowohl Petry als auch Adam riefen dazu auf, die Weckruf-Mitglieder nun möglichst wieder in die Partei zu integrieren. Dazu sei es nötig, daß die Vereinsmitglieder die nötige Einsicht zeigten und sich in die Parteistrukturen einordneten.

Vor der spektakulären Entscheidung zum Weckruf hatte das Bundesschiedsgericht schon am Montag ein Urteil veröffentlicht, mit dem in der Partei bereits gerechnet worden war. Darin erklärten die Richter die Ende Januar in Bremen beschlossene Satzung für ungültig. Begründet wird die Entscheidung unter anderem damit, daß über die Satzung zeitgleich in zwei unterschiedlichen Veranstaltungsräumen abgestimmt wurde. 

Doch die Richter ließen der krisengebeutelten Partei eine Hintertür offen. Mit einer Zweidrittelmehrheit kann die Satzung auf dem nächsten ordentlichen Parteitag erneut beschlossen werden. Schade nur, daß der langersehnte Mitgliederparteitag Anfang Juli in Essen ein außerordentlicher Parteitag ist. 

Foto: AfD-Chef und „Weckruf“-Gründer Bernd Lucke: Jetzt soll sich der Bundesvorstand mit dem Thema beschäftigen