© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/15 / 26. Juni 2015

Haltungsnote
Ein Autor mit Erdung
Christian Rudolf

Acht Romane, viele renommierte Literaturpreise. Ralf Rothmann (62) ist auf dem Teppich geblieben. Kein Trendautor, niemand aus der Schreibwerkstatt, keiner, der anderen die moralinsauren Leviten liest und bei der Kanzlerin zum Abendessen sitzt. Rothmann wirkt echt, weil er Erdung und Herkunft hat. Und die Vorfahren nicht verachtet, ihnen vielmehr zärtliche Denkmäler setzt, unter Arbeitern, leichten Mädchen und Pennern. „Ein Sozialromantiker, der die Milieus archiviert, um sie zu mythologisieren“ (Die Zeit). Ein Heimatdichter? Rothmann hat seinen neuen Roman „Im Frühling sterben“ nicht vorgelegt, sondern erarbeitet, sich abgespürt. Eine Kriegsgeschichte um seinen mit 18 von der Waffen-SS zwangsrekrutierten Vater – „ich liebte und bewunderte ihn, gerade auch wegen der oft bedrückenden Traurigkeit, die von ihm ausging“. Was macht es mit uns Nachgeborenen, wenn die Vorangegangenen so beschädigt wurden, daß es eigentlich zuviel für ein Menschenleben war?

Im Ruhrpott – „ein unglaublich poetischer Ort“ – in großer innerer Freiheit aufgewachsen, hat er als Fahrer, Koch, Drucker und Pfleger das Leben Haut an Haut kennengelernt. Und sich eine Sehnsucht bewahrt: „Daß das, was Wirklichkeit ist, nicht die alleingültige Wahrheit ist.“