© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/15 / 03. Juli 2015

Teure Verzögerungen bei der ICE-Strecke Berlin-München
Elbphilharmonie am Rennsteig
Jörg Fischer

Zum Fahrplanwechsel 1965 fuhr auf der Strecke München-Augsburg erstmals ein fahrplanmäßiger Schnellzug mit Tempo 200 – fünfzig Jahre später braucht die inzwischen formal privatisierte Deutsche Bahn (DB) immer noch mehr als eine halbe Stunde für die 62 Kilometer. Auf den 240 Kilometern bis Stuttgart zuckelt ein ICE sogar fast zweieinhalb Stunden, denn die Streckenführung folgt immer noch der 1854 eröffneten bayerischen Maximiliansbahn und der seit 1836 geplanten und 1850 fertiggestellten württembergischen Filsbahn.

Ob die seit 1970 geplante Neubaustrecke München-Stuttgart bis 2021 fertig wird, hängt nicht nur vom Bahnhofs­projekt „Stuttgart 21“ ab. Beispiele wie Toll Collect, Elbphilharmonie oder der Hauptstadtflughafen BER zeigen, daß Großprojekte in öffentlich-privater Partnerschaft immer teuer und später als geplant fertiggestellt werden. Auch das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8 (VDE 8) – die Schnellstrecke Berlin-Nürnberg – sollte im Jahr 2000 ihren Betrieb aufnehmen und so die ICE-Fahrzeit zwischen der deutschen Hauptstadt und München auf unter vier Stunden drücken. Die im Bundesverkehrswegeplan 1992 ausgewiesene Neubaustrecke München-Ingolstadt-Nürnberg ist seit 2006 in Betrieb – das VDE 8 entwickelt sich zu einer unendlichen Geschichte.

1999 verhängte die rot-grüne Bundesregierung einen Baustopp für den Abschnitt über den Thüringer Wald, erst 2002 durfte weitergebaut werden. Technische Pannen verzögerten den Bau erneut, erst 2012 konnte der letzte Tunneldurchschlag gefeiert werden. Es schien, als ob die Magistrale Berlin-München wirklich Ende 2017 in Betrieb gehen würde.

Dieses Versprechen wiederholte DB-Vorstand Ulrich Homburg in seinem im März vorgestellten Konzept „Mehr Bahn für Metropolen und Regionen“ – doch daraus wird wohl nichts: Das Eisenbahnbundesamt (EBA) hat eine „innovative“ Gleisbett-Konstruktion auf der Saale-Elster-Talbrücke nicht zugelassen. Bei der „abgespeckten Variante“ ohne Stahl­bewehrung im Ausgleichsbeton bestehen Sicherheitsbedenken. Das VDE-8-Projekt könnte damit finanziell und zeitlich erneut aus dem Ruder zu laufen. Die DB wolle zum nächsten Krisengipfel Ende Juli immerhin „einen gutachterlich bewerteten Zwischenbericht als Grundlage für das weitere Vorgehen erstellen“, erklärte das EBA.

Wie es anders geht, beweist Japan: 1958 wurde das erste Shinkansen-Projekt genehmigt, 1959 begann der Bau, und pünktlich zur Eröffnung der Olympischen Sommerspiele 1964 fuhren auf der 515 Kilometer langen Strecke Tokio-Osaka nagelneue Triebzüge mit Tempo 200. Längst sind die gebirgigen 2.200 Kilometer zwischen Aomori im Norden und Kagoshima im Süden durchgängig befahrbar – und für die 686 Kilometer zwischen Berlin und München würde ein Shinkansen der Baureihe E6 statt vier nur zweieinhalb Stunden brauchen.