© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/15 / 10. Juli 2015

Lesereinspruch

Keine Absolution

Zu: „‘Ihr sollt die Wahrheit erben!’“ von Konrad Löw (JF 24/15)

Die berüchtigte, skandalöse Makulatur der Deutschland-Archiv-Ausgabe im Jahr 2004, wegen des dort publizierten Löw-Aufsatzes zur Judenverfolgung, hat beim Betroffenen offenbar ein Trauma ausgelöst. Anders sind Löws fortgesetzte Apologien der Deutschen während der Judenververnichtung im Dritten Reich kaum zu erklären. Augenscheinlich fühlt sich Löw berufen, die Deutschen zu exkulpieren, sie aus der Verantwortung für den Holocaust zu entlassen. Als wäre er ein Salvator, der Absolution erteilt. 

Es erscheint zynisch, wenn Löw – auch hier wieder – einzelne anrührende Anekdoten der Anteilnahme in eine Kultur des Widerstands umdeutet, etwa die „Fülle und Überfülle“ lebensnotwendiger Artikel betont, mit der die verfolgten Juden beschenkt worden seien. Von den Verboten für Juden, die sukzessive die Betroffenen entrechteten bis zur völligen Vernichtung, und die beim Ausstellungsbesucher eine kaum zu beschreibende Beklemmung auslösen, findet sich kein Wort. Von den ermordeten oder in den Selbstmord getriebenen Münchner Juden schon gar nicht. Hier bleibt die geforderte „Wahrheit“ auf der Strecke.

Paul E. Weiss, München