© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/15 / 10. Juli 2015

Auf dem Absprung
Austritte: Die AfD verliert zahlreiche Mitglieder
Hinrich Rohbohm

Auf die neue AfD-Führung um Frauke Petry rollt eine Austrittswelle zu. Zu „hunderten“ würden derzeit Mitglieder ihren Parteiausweis abgeben, berichteten die Europaabgeordneten Bernd Lucke, Bernd Kölmel, Joachim Starbatty, Hans-Olaf Henkel und Ulrike Trebesius am Montag in Straßburg. Einige, wie etwa der ehemalige JA-Funktionär Hagen Weiß, haben ihn symbolisch in Einzelteile zerschnitten. In Rheinland-Pfalz wollen allein sechs Landesvorstandsmitglieder der AfD den Rücken kehren. „Ganze Kreisvorstände sind im Begriff, aus der Partei auszutreten“, sagt Lucke der JUNGEN FREIHEIT. Die Partei bemühte sich um Schadensbegrenzung „Die von vielen befürchtete Austrittswelle aufgrund der Richtungsentscheidung ist ausgeblieben“, sagte Parteisprecher Christian Lüth. Bis Dienstag habe die Bundesgeschäftsstelle 512 Austritte (2,5 Prozent der Mitgliedschaft) registriert.

Lucke selbst war zumindest am Dienstag noch Mitglied der Partei. Ob er das bleibe oder nicht, habe er noch nicht endgültig entschieden, sagte er. Wahrscheinlich wird er eine Online-Umfrage des Weckrufs unter seinen Anhängern abwarten. Zu drei Szenarien wollen die Initiatoren die Präferenz der Basis erfahren. Das erste: Die Weckrufler treten aus der AfD aus und sehen das Projekt „neue Partei“ als gescheitert an. Das zweite sieht ebenfalls einen Austritt vor, mit dem Unterschied, eine neue Partei aufzubauen. Das dritte Szenario dürfte das unwahrscheinlichste sein. Es sieht einen Verbleib in der AfD vor, mit der Hoffnung verbunden, daß sich die Machtverhältnisse im Laufe der Zeit wieder ändern. 

Kölmel ist dagegen noch am Sonntag von seinem Amt als AfD-Landesvorsitzender in Baden-Württemberg zurückgetreten und kündigte auch seine Mitgliedschaft. „Die Art und Weise, wie man mit Bernd Lucke in Essen umgegangen ist, hat mich entsetzt“, nennt er den Grund für sein Ausscheiden. Ein Argument, das auch für Joachim Starbatty ausschlaggebend ist. Der Wirtschaftsprofessor hat seinen Austritt ebenso angekündigt wie Ulrike Trebesius, die ihre Mitgliedschaft noch in dieser Woche beenden will.  Sie warnt vor einem Rechtsruck. „Dafür haben wir die AfD nicht gegründet, damit möchte ich nichts zu tun haben.“ 

Denn unter den Weckruflern wird befürchtet, daß die neue Parteiführung sich einem Kurswechsel künftig nicht entziehen kann, selbst wenn sie es wollte. Zudem dürfte sie bei einem Abgang von Lucke, Starbatty und Henkel ein gehöriges Maß an Wirtschaftkompetenz einbüßen, ein Themenfeld, in dem die AfD die etablierten Parteien bereits mehrfach das Fürchten lehrte. Auch drohe bei Themenfeldern wie der Asylpolitik die Gefahr, durch überzogene Positionen das Stigma des Rechtsradikalismus angeheftet zu bekommen.

Alle wollen in der ECR-Fraktion bleiben

 Ebenfalls an Abschied denkt Konrad Adam, der zur tragischen Figur des Parteitags wurde. Der bisherige AfD-Chef hatte Bernd Lucke mehrfach kritisiert und sich schließlich in das Lager von Frauke Petry geschlagen. Gedankt wurde es ihm nicht. Bei den Beisitzerwahlen straften ihn die Mitglieder gleich zweimal ab. Nun denkt auch er darüber nach, der AfD den Rücken zu kehren. Bei aller Kritik an Lucke habe er den Umgang mit dem abgewählten Vorsitzenden auf dem Parteitag als schäbig empfunden. Daß Adam sein Beisitzer-Wahlergebnis persönlich tief gekränkt haben dürfte, darin sind sich alle Europaabgeordneten ebenso einig wie in dem Vorhaben, trotz allem künftig weiter der ECR-Fraktion im Europaparlament angehören zu wollen.