© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/15 / 10. Juli 2015

Zeitschriftenkritik: Brand eins
Maschinen entwickeln kein Bewußtsein
Werner Olles

Sind nun auch die Journalisten an der Reihe und werden durch Computer ersetzt? Es war ein Schock für die Branche, und die Nachwehen sind bis heute spürbar. Maschinen übernehmen journalistische Aufgaben! „Wie kann das sein? Gehören Journalisten nicht zu einer kreativen Klasse, die unersetzbar ist?“ fragt Gabriele Fischer, Chefredakteurin der monatlich erscheinenden Zeitschrift Brand eins in ihrem Editorial der aktuellen Juli-Ausgabe. Tatsächlich übernehmen Maschinen längst nicht mehr nur schwere körperliche Arbeiten in der Fabrik oder Werkstatt, sondern drängen auch ins Büro, in die Kanzlei und in die Praxis. Doch bedeutet diese „Invasion“ nun die Bedrohung einer bislang mehr oder weniger heilen Arbeitswelt, oder könnte es nicht vielleicht auch ein Segen sein, daß die Technik inzwischen so viele Aufgaben erleichtert, langweilige Routinen übernimmt und uns dadurch erhebliche Freiräume verschafft?

Darüber gehen die Meinungen naturgemäß weit auseinander. Sie reichen von persönlicher Betroffenheit und Sorge um den Arbeitsplatz bis hin zur Faszination und dem Erstaunen über die vielfältigen Möglichkeiten, was beispielsweise die Schreibautomaten heute bereits können. Bedrohlich wird die Sache jedoch spätestens dann, wenn Menschen sich mit den Maschinen nicht nur nützliche Assistenten schaffen, sondern Künstliche Intelligenz. Aber genau daran versucht sich schon seit den 1950er Jahren eine weltweite Techniker-Elite und hat dabei durchaus eindrucksvolle Etappenziele erreicht.

Fakt ist indes, daß Maschinen zukünftig nicht nur unsere Arbeitswelt und damit auch die gesamte Gesellschaft noch weit mehr durcheinanderwirbeln als in der Vergangenheit, sie werden auch immer besser und übernehmen immer mehr Aufgaben und Jobs. Was dies für die Vollbeschäftigung und für den sozialen Frieden heißt, und wie wir umdenken müssen, wenn die Automatisierung noch stärker in der Arbeitsgesellschaft zum Tragen kommt, ist eine Frage, die Politiker, Unternehmer und Gewerkschaften umtreibt, ohne daß sie bisher eine überzeugende Lösung für diese Probleme gefunden haben.

Der italienische Philosoph Roberto Casati, Forschungsleiter beim CNRS, dem Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung in Paris und größten europäischen Wissenschaftsbetrieb, beschäftigt sich seit vielen Jahren eingehend mit Kognitionswissenschaft, Bildung und Technik. Er ist der Überzeugung, daß Künstliche Intelligenz als Simulationsprogramm der menschlichen Intelligenz entstanden ist. Ein Grund dafür sei, erklärt er in einem Interview mit Brand eins, „die Verwechslung von biologischem und elektronischem System“, zudem fehle eine vollständige Vorstellung von menschlicher Intelligenz. Daher könnten Maschinen ein sogenanntes „Bewußtsein“ als biologisches Merkmal nicht entwickeln, und die Annahme, daß sie sich selbst verbessern könnten, seien Träumereien der „Theorien der Technologischen Singularität“. 

Kontakt: Brand eins, Speersort 1, 20095 Hamburg. Telefon: 040 / 32 33 16 -70. Das Einzelheft kostet 8,50 Euro, ein Jahresabo 87 Euro.  www.brandeins.de