© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/15 / 17. Juli 2015

„Charlie Hebdo“: Fragwürdiges Postulat unbegrenzter Meinungsfreiheit
Mindestmaß an Zivilität notwendig
(wm)

Als Antwort auf den islamistischen Mordanschlag, der im Januar 2015 die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo traf, profilierte sich vor allem Josef Joffe in der Zeit als Verteidiger unbeschränkter Meinungsfreiheit. Was ihn, wie der in den USA lehrende deutsche Staatsrechtler Manfred H. Wiegandt spitz anmerkt (Recht und Politik, 2/2015), kurz zuvor nicht gehindert hatte, juristisch gegen einen ZDF-Beitrag vorzugehen, der Joffes „Nähe zu transatlantischen Lobby-Organisationen“ behauptete. Auch wenn die Klage letztlich abgewiesen wurde, glaubt Wiegandt allein in solcher Doppelzüngigkeit schon ein Indiz dafür zu erkennen, wie fragwürdig das „Postulat grenzenloser Meinungsfreiheit“ sei. Von wenig Realitätsnähe zeuge auch das der Ökonomie entnommene libertäre Modell vom „Marktplatz der Meinungen“. Denn gerade im ökonomischen Wettstreit gewinne nicht, wer sich im „freien Spiel der Kräfte“ durchsetze, sondern, wie die Rechtsprechung des Supreme Court zur US-Wahlwerbung beweise, die „finanzstärksten Gruppen“. Um daher ein „Mindestmaß an Zivilität“ in der Diskussionskultur zu gewährleisten, sollte der Gesetzgeber ohne Rücksicht auf „zweifelhafte ökonomische Modelle“ die „zügellose Meinungsfreiheit“ einschränken, wenn sie die Grenzen zur „bewußten, intimen Kränkung“ überschreite. 


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