© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/15 / 14. August 2015

Revanchist für die Linke, Ehrenbürger in Polen
Vor hundert Jahren wurde Herbert Hupka geboren / Der langjährige Vertriebenenfunktionär war ein rühriger Kämpfer für seine schlesische Heimat
Jörg Bernhard Bilke

So ungewöhnlich wie seine Geburt am 15. August 1915 auf der Insel Ceylon war auch sein tragischer Tod durch einen Sturz im Treppenhaus seiner Wohnung in Bonn am 24. August 2006. Seine Eltern, Erich und Therese Hupka, die mit dem Schiff im Sommer 1914 nach Tsingtau in China unterwegs waren, wurden vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs überrascht, von den Engländern festgenommen und auf Ceylon, später in Australien interniert. Auf der Heimfahrt 1919 starb der Vater, die Mutter kehrte allein mit dem Sohn nach Oberschlesien zurück.

Herbert Hupka besuchte von Ostern 1921 an die katholische Volksschule in Ratibor; noch auf dem Totenbett hatte Erich Hupka seiner Frau Therese, deren jüdische Eltern zum Protestantismus übergetreten waren, das Versprechen abgenommen, den Sohn katholisch zu erziehen. Daß Herbert Hupka unter diesen Vorzeichen ein Verehrer des katholischen Dichters Joseph von Eichendorff werden würde, war vorauszusehen, zumal in Ratibor ein Denkmal des Dichters stand und Schloß Lubowitz nur neun Kilometer oderabwärts lag. Obwohl Herbert Hupka unter der NS-Herrschaft nach 1933 als „Halbjude“ galt, durfte er 1934 noch am Evangelischen Gymnasium das Abitur ablegen. In Halle und Leipzig, wo sein vom Niederrhein stammender Doktorvater Theodor Frings Altgermanistik lehrte, studierte er Germanistik, Kunstgeschichte, Geographie und promovierte 1940, mitten im Krieg. 

Zuvor war er am 23. August 1939 zur Wehrmacht eingezogen worden, wurde aber 1943 verhaftet und vor ein Kriegsgericht gestellt, weil er bei der Beförderung zum Leutnant der Reserve verschwiegen hatte, ein „jüdischer Mischling ersten Grades“ zu sein. Er wurde ins Wehrmachtsgefängnis Torgau eingeliefert und nach einem Jahr entlassen, worauf er nach Ratibor zurückkehrte. Von dort aber war seine jüdisch-stämmige Mutter Therese am 18. Januar 1944 ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert worden. Am 15. August 1945, seinem 30. Geburtstag, konnte Herbert Hupka seine Mutter von Theresienstadt ins amerikanisch besetzte Bayern bringen, wo sie im Altersheim der Israelitischen Kultusgemeinde in München Aufnahme fand. Die Einzelheiten dieses außergewöhnlichen Lebenslaufs kann man in der Festschrift „Für unser Schlesien“ (1985) und in den Lebenserinnerungen „Unruhiges Gewissen“ (1994) nachlesen.

Herbert Hupka wurde Journalist. Nach 24 Jahren als Redakteur bei Radio München, woraus 1949 der Bayerische Rundfunk wurde, und als Programmdirektor bei Radio Bremen wurde er Pressesprecher beim 1954 gegründeten Kuratorium „Unteilbares Deutschland“. So kam er in die Bundeshauptstadt Bonn, wo er bis zu seinem Tod 2006 blieb. Er war von 1968 bis 2000 Vorsitzender der Landsmannschaft Schlesien, von 1969 bis 1987 saß er, zunächst für die SPD, seit 1972 für die CDU/CSU im Deutschen Bundestag, von 1982 bis 1999 war er Präsident der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat in Bonn. Im Januar 1983 holte er mich in die Stiftung und machte mich zum Chefredakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz.

Die Arbeitsleistung, die Herbert Hupka in seinen drei Berufen erbrachte, war überwältigend. Zumal in die 1950 gegründete Stiftung in der Bonner Kaiserstraße 113 brachte er frischen Wind und wurde der Initiator mehrerer Projekte wie der zwölfbändigen Buchreihe „Vertreibungsgebiete und vertriebene Deutsche“ (1992/2005), die im Münchner Verlag Langen-Müller erschien. 

Merkwürdig war, daß der Präsident in Deutschland ständig als „Revanchist“ und „Kalter Krieger“ beschimpft wurde, sich in Polen dagegen nach 1989/90 wachsender Beliebtheit erfreute. Die Jahrestagung in Halle 1991 beispielsweise war mit der Ausstellung „Große Deutsche aus dem Osten“ verbunden, zu deren Eröffnung Polizeischutz angefordert werden mußte, weil linke Demonstranten Tätlichkeiten angedroht hatten. In Polen dagegen, wohin er anschließend fuhr, standen die Journalisten Schlange für ein Interview. In Ratibor wurde er 1998 zum Ehrenbürger ernannt und kaufte sich dort eine Eigentumswohnung.

Im Sommer 2006 nahm ich an seiner Trauerfeier in der Bonner Elisabethkirche teil. Am Eingang standen trotzig drei Männer in oberschlesischer Bergmannstracht, um ihren Landsmann zu ehren. Dieses Bild hätte ihn zu Tränen gerührt.






Dr. Jörg Bernhard Bilke war von 1983 bis 2000 Chefredakteur der „Kulturpolitischen Korrespondenz“ der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat.