© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/15 / 14. August 2015

Frisch gepresst

Universität Kiel. Beanspruchte Christoph Cornelißens Sammelband zur Geschichte der Kieler Universität in der NS-Zeit noch 400 Seiten (JF 15/10), läßt es der inzwischen von Kiel nach Frankfurt berufene Historiker für die Nachkriegszeit bis zum „Krisendiskurs der 1970er“ nun mit 200 Seiten bewenden. Immerhin bleibt somit dem Leser ein ursprünglich geplantes Kapitel über „geschlechterspezifische Sozialisation von Studierenden“ erspart. Trotzdem stand noch zu viel Raum für jene Beiträger zur Verfügung, die sich dem moralisierend-schulmeisterlichen Tenor anpassen, den der Herausgeber mit üblichem Gezeter über die „vollpolitisierte nationalsozialistische Grenzlanduniversität“ einleitend vorgibt. Der Gipfel der Peinlichkeit wird im Rückblick auf die Geschichte des Kunsthistorischen Instituts erklommen, dessen Verfasser sich nicht entblödet, dem 1943 in Breslau habilitierten Hans Tintelnot vorzuhalten, noch 1962 vom „Zusammenbruch“ und nicht von der „Befreiung Breslaus von der Nazidiktatur“ gesprochen zu haben. Dieser penetrante Ton, der anzeigt, wie die neuere Universitätshistoriographie sich zur Hilfsdisziplin „Politischer Bildung“ erniedrigt, durchzieht selbst sachlichere Studien zur Kieler Landesgeschichte oder zur gescheiterten, da von „Ressentiments gegen Remigranten“ geprägten Berufung Golo Manns, der 1953 gegen Karl Dietrich Erdmann nicht durchsetzbar war. (wm)

Christoph Cornelißen (Hrsg.): Wissenschaft im Aufbruch. Beiträge zur Wiederbegründung der Kieler Universität nach 1945. Klartext Verlag, Essen 2015, gebunden, 236 Seiten, Abb., 19,95 Euro




Berlin von links. Politisch-historische Stadtführer haben insbesondere in der deutschen Hauptstadt völlig zu Recht Konjunktur. Dem Spreeathen unter dem Kaiser, den vermeintlich Goldenen Zwanzigern, natürlich auch „Hitlers Berlin“ kann man so nachspüren. Auch dem 68er-Nostalgiker auf der Suche nach der Kommune 1 oder den SDS-Tagungsorten wird geholfen. Da darf das „rote Berlin“ natürlich nicht fehlen, das Frank Schumann mit großem Herz für die Ostbezirke vorstellt, denn dort „blieb Berlin durchgängig deutsche Hauptstadt“, seufzst es ganz DDR-selig vom Cover. Mit kaum erschüttertem sozialistischem Klassenstandpunkt werden sodann kurz und prägnant die wichtigsten Orte präsentiert. Für das ganzheitliche Verstehen Berlins gehört dieser kleine Reiseführer aber unbedingt dazu. (bä)

Frank Schumann (Hrsg:): Das rote Berlin. Ein Stadtführer. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2015, broschiert, 95 Seiten, 9,99 Euro