© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/15 / 14. August 2015

Der Flaneur
Das feuerrote Spielmobil
Toni Roidl

Die Sonne gießt gleißendes Licht über die Hügel. Gelbe Weizenfelder und rote Äcker bilden ein Schachbrettmuster. Wie hingewürfelt liegen die runden Strohballen darauf. An den Sandsteinmauern der Weinberge sonnen sich Eidechsen. Die Kirchturmuhr schlägt. Das Dörflein träumt zwischen Verfall und liebevoller Restaurierung. Es wäre die perfekte Kulisse für einen Heimatfilm mit der jungen Heidi Brühl. Die Bauern fahren immer noch auf Schleppern der Wirtschaftswunderzeit durch die Gassen: Deutz, Lanz ... Oldtimer in Gebrauch.

Die Ortsnamen enden alle auf -weiler; die Straßen heißen Rieslinggasse oder Zum Wingertsacker. Früher lieferte die Region Massenware niedriger Güte und gab dem Müller-Thurgau seinen schlechten Ruf. Die junge Generation der Nachwuchs-Winzer hat den Ausstoß drastisch bis zur Exklusivität verringert und setzt kompromißlos auf erste Qualität.

Der Motor glänzt, wie eben vom Band gelaufen; die Elektrik ist neu. Dann die kalte Dusche.

Alle paar hundert Meter weist ein Familienwappen auf einen Winzerbetrieb hin. Beim ersten ist nur der Hofhund zu Hause. Vor dem nächsten kommt eine junge Businessfrau im sportlichen Land Rover Defender angebraust. Sie läßt von ihrem jüngst prämierten Weißburgunder probieren. Ein Aromenstrauß explodiert auf der Zunge. Das Erlebnis hat seinen Preis.

Die Flaschen klingeln im Kofferraum. Am Ortsausgang steht er – ein Bild von einem Traktor. Ein feuerwehrroter Zetor von 1965. „Der isch zu verkaafe“, wirbt der Besitzer und erklärt die aufwendigen Reparaturarbeiten: Der Motor glänzt, wie eben vom Band gelaufen; die Elektrik ist neu. Wir wollen den Klang hören: Satt wie eine Harley! Dann die kalte Dusche: „Sechstausendfünfhunnert. Des isch mei absolutte Schmezzgrense“, pfälzert er. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist tadellos, aber für mich leider viel zu teuer. Schade, wie gerne hätte ich den langweiligen Japaner gegen diesen Männertraum getauscht. Damit durch den Stadtverkehr, das wär’s!