© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/15 / 21. August 2015

Ein standhafter Konservativer
Nachruf: Mit Gerhard Mayer-Vorfelder ist ein schillernder Sportfunktionär und einer der letzten aufrechten CDU-Politiker gestorben
Christian Schreiber

Kurz vor seinem Tod wußte Gerhard Mayer-Vorfelder noch einmal zu polarisieren. „Was wußte er von den Doping-Praktiken beim VfB?“ fragten mehrere Medien. Beim Stuttgarter Fußball-Bundesligisten war „MV“ über ein Vierteljahrhundert Präsident, und in dieser Zeit sollen Spieler mit illegalen Substanzen versorgt worden sein. Die involvierten Sportmediziner sollen von ihm selbst bezahlt worden sein. 

Früher, so erzählen es Journalisten, die ihn gut kannten, hätte „MV“ ein riesen Faß aufgemacht. Verleumdungsklage, Gegendarstellung oder ein paar deftige Beleidigungen in einem Telefonat. Doch an seinem Lebensabend schwieg der Stuttgarter. Sein Gesundheitszustand galt als stark angegriffen. Am Dienstag ist Mayer-Vorfelder im Alter von 82 Jahren in seiner schwäbischen Heimat gestorben. 

1933 im kurzpfälzischen Mannheim geboren und im Breisgau aufgewachsen, verschlug es den Juristen nach dem Staatsexamen nach Stuttgart. Dort wurde er heimisch, dort fühlte er sich wohl und dort „merken die Leute gar nicht mehr, daß ich eigentlich ein Zugereister bin“, sagte er mal. „MV“ verkörperte wie kaum ein anderer Nachkriegsfunktionär die oftmals kritisierte Verquickung von Politik und Sport. Seit 1976 gehörte er zum engsten Machtzirkel der Südwest-CDU, galt als Ziehsohn von Ministerpräsident Hans Filbinger, wurde Staatssekretär, später Kultus- und schließlich Finanzminister. Von 1980 bis 2001 gehörte er dem Landtag an. Anschließend wurde er Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), organisierte gemeinsam mit Franz Beckenbauer erfolgreich die Weltmeisterschaft 2006. 

„MV“ war ein Tausendsassa, ein Lebemann und Kumpeltyp. Er rauchte noch, als dies längst als unsportlich galt, er war bekennender Wein- und Schnapsliebhaber. In der Stuttgarter Gastronomie war er gerngesehener Gast, viele Kritiker warfen ihm vor, er würde dort Politik machen. „Ein gewiefter Strippenzieher, vielleicht sogar der beste“, schrieb der Spiegel über ihn, andere nannten ihn „Affären-Weltmeister“. Vermutlich war er von alldem etwas, aber vor allem war Mayer-Vorfelder ein Patriot, ein Nationaler, ein Konservativer. Er war das Haßobjekt des linken Zeitgeists, er verkehrte beim Studienzentrum Weikersheim, schrieb einen Aufsatz für die rechte Monatszeitschrift Nation und Europa. Er kämpfte gegen den Linksruck in der CDU, warnte davor, die zeitweise in Baden-Württemberg starken Republikaner zu verunglimpfen und zeigte sich öffentlich mit Parteichef Rolf Schlierer bei einem guten Schluck Wein. 

Nach seinem Ausstieg aus der Politik genoß es der CDU-Mann, „nicht mehr täglich die Gefechte im Schützengraben“ haben zu müssen: Doch auch als Fußballfunktionär holte ihn die Politik noch einmal ein. Von 2001 bis 2006 zeigte die Wanderausstellung „Tatort Stadion. Rassismus und Diskriminierung im Fußball“ des Bündnisses Aktiver Fußballfans Zitate des damaligen DFB-Präsidenten, die ihn in einem negativen Licht zeigen sollten. So soll er sich über „den geringer werdenden Anteil von Germanen in der Bundesliga“ ausgelassen und zudem festgestellt haben: „Der südamerikanische und afrikanische Fußball haben genetisch andere Voraussetzungen.“ 

Der Präsident kritisierte dies als Verunglimpfung, der DFB zog seine zugesagten Fördergelder zurück, und der Vorstand folgte ihm, was für die Qualitäten des brillanten Netzwerkers sprach. Noch 2008 wandte er sich gegen eine Unterstützung des Projektes „Netz gegen Nazis“ durch den DFB, da auch Medien wie die JUNGE FREIHEIT oder das Studienzentrum Weikersheim „in einen Topf mit Neonazis“ geworfen würden. „Ein Ausländerfeind war und bin ich nie gewesen. Der Vorwurf schmerzt, aber wer austeilt, muß auch einstecken. Ich bin da nicht so empfindlich“, sagte er zu seinem 70. Geburtstag. „MV“ hinterläßt Ehefrau Margit und vier Kinder.