© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/15 / 21. August 2015

Permanent überwacht und ausspioniert
Energiepolitik: Die Einbaupflicht für intelligente Zähler soll den Stromverbrauch senken / Kosten-Nutzen-Analyse offenbart das Gegenteil
Jörg Fischer

Wem haben die EU-Bürger das Glühlampenverbot zu verdanken? Großkonzernen wie Philips oder der einstigen Siemens-Tochter Osram, die mit ihrer technischen Totgeburt „Energiesparbirne“ Kasse machen wollten, bevor die echte Sparalternative LED-Lampe nicht nur in Japan, sondern auch in Europa serienreif wurde? Sicherlich, ohne deren Lobbyisten und die Ökodesign-Richtlinie der willigen Brüsseler Bürokraten wäre die daraus abgeleitete EU-Verordnung 244/2009 so wohl nie in Kraft getreten.

Politisch setzte allerdings ein entsprechender Brief des damaligen Bundesumweltministers Sigmar Gabriel an den griechischen EU-Umweltkommissar Stavros Dimas den Prozeß in Gang: Die Umstellung auf Energiesparlampen diene dem Klimaschutz, der geringere Stromverbrauch würde angeblich Millionen Tonnen CO? einsparen. Und schon auf dem EU-Gipfel im März 2007 segneten die 26 Staats- und Regierungschefs unter Federführung der damaligen EU-Ratspräsidentin Angela Merkel das Glühlampenverbot widerstandslos ab.

Acht Jahre später argumentieren die CDU-Bundeskanzerlin und der zum Vizekanzler, Wirtschaftsminister und SPD-Chef aufgestiegene Gabriel erneut mit dem Klimaschutz, um Verbraucher und Firmen zum teuren Einbau von „intelligenten“ Stromzählern zu verpflichten. Das ist auch nötig, denn ein noch von Gabriels Amtsvorgänger Philipp Rösler (FDP) beauftragtes Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) kommt zu einer vernichtenden Kosten-Nutzen-Analyse.

„Wirtschaftlich nicht zumutbar“

Das Ziel, bis 2020 80 Prozent der Haushalte mit „Smart Metern“ auszustatten, die den Stromverbrauch umfassend dokumentieren und die Daten laufend an den Stromanbieter zurücksenden, sei „für Deutschland weder wirtschaftlich noch umsetzbar“. Ein Zwangsaustausch herkömmlicher Stromzähler führe „für den Großteil der Endkunden zu unverhältnismäßig hohen Kostenbelastungen“. Das Fazit aus Stromkundensicht: „Wirtschaftlich nicht zumutbar“ und „kein entsprechender Nutzen für ihr Entgelt“, konstatierte EY, die auch die Erfahrungen in anderen EU-Ländern berücksichtigte. Die deutschen Unternehmer und Verbraucher wußten das auch ohne Gutachten. Bereits seit 2010 ist der Einbau der „smarten“ Stromzähler für Neubauten und grundsanierte Häuser verpflichend – freiwillig tauschten aber nur die wenigsten ihre Zähler aus.

80 bis 200 Euro Ersteinrichtungsgebühr plus eine monatlich Zusatzgebühr sowie eine schnelle Internetverbindung für die Stromverbrauchsübermittlung sind das eine. Hinzu kommen neue „smarte“ Heiz- und Haushaltsgeräte im vierstelligen Preisbereich, um die geringen Stromeinsparmöglichkeiten auch nutzen zu können – und die Bereitschaft, die Privatsphäre in den eigenen vier Wänden mit den „smarten“ Anbietern zu teilen.

Doch Siemens, Telekom & Co. verdienen prächtig, wenn der Einbau von teuren Stromzählern und der Wechsel zu neuen Abrechnungsmethoden nicht freiwillig erfolgt, sondern mittels Gesetzeskraft erzwungen wird. Durch Neu- und Umbauten kämen jährlich 1,2 Millionen „intelligente“ Stromzähler ans Netz. Doch laut EY gibt es insgesamt allein 46,9 Millionen Stromzähler in Deutschland und unzählige Geräte, die sich aus Stromspargründen vernetzen lassen – der gesetzlich verordnete „Markt“ ist milliardenschwer.

Der jetzt diskutierte Arbeitsentwurf für das kommende „Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“ sieht zunächst  nur eine 2017 beginnende Einbaupflicht für Unternehmen, Selbständige und Privathaushalte mit über 6.000 Kilowattstunden Stromverbrauch vor. Die EU-Richtlinie 2009/72/EG würde den Einbau digitaler Meßsysteme allerdings weiter vorantreiben. Bis 2022 sollen 80 Prozent der Stromzähler ausgetauscht werden, laut dem „Verordnungspaket intelligente Netze“ werden spätestens 2032 alle Haushalte ausgerüstet sein. Trotz der Zusatzausgaben würden Verbraucher und Wirtschaft letztlich Geld sparen, heißt es aus dem Gabriel-Ministerium.

 Laut dem bekannten Gesetzentwurf dürften den Verbrauchern für den Zählereinbau nur zwischen 23 bis 60 Euro direkt in Rechnung gestellt werden – und der große Rest und die alljährlichen Betriebskosten müssen dann eben im Kleingedruckten der Stromrechnung versteckt werden. Selbst wenn ein Drei-Personen-Haushalt durch den Betrieb der Waschmaschine durch einen speziellen Nachtstromtarif 1,25 Euro pro Monat einsparen sollte, dürften die sozialen Kosten enorm steigen: Wer möchte schon unter einem Haushalt wohnen, dessen Spül- und Waschmaschine täglich nach Mitternacht zu rumpeln beginnt.

Lukrative Einbaupflicht

Zur Konfliktlösung hilft nur der Neukauf eines flüsterleisen Gerätes, um etwa „Home Connect“, das „intelligente Hausgerätenetzwerk für einen leichten Alltag“ von Bosch auch zu Schlafenszeiten nutzen zu können. Künftig würden „alle Produkte im Haushalt eingebunden, bei denen sich ein Mehrwert für die Konsumenten ergibt“, versprach Karsten Ottenberg, Chef von Bosch-Siemens-Hausgeräte anläßlich der Elektronikmesse CES in Las Vegas. In Verbindung mit lastabhängigen Tarifen der Energieversorger nutzten die „Smart Start“-fähigen Miele-Geräte den jeweils günstigsten Stromtarif, wirbt die Gütersloher Konkurrenz. Mieles „Smart Home“ funktioniert aber nur, wenn Qivicon mit im Boot ist, eine Allianz von Telekom, RWE, Samsung und anderen Firmen zur Hausvernetzung.

Nicht nur die Grünen, die jedes noch so absurde Klimaschutzgesetz befürworten und allenfalls noch verschärfen wollen, bekommen allerdings beim Thema Datenschutz Bauchschmerzen. Denn die Fernübertragung des Stromverbrauchs in Echtzeit und sogar die Aufzeichnung einzelner Geräteverbräuche sind keine Zukunftsmusik. Und wenn schon Kanzleramt oder Bundestag ihre Daten nicht vor Cyberangriffen schützen können, dürften auch Qivicon & Co. nicht vollkommen vor Hackern sicher sein.

Vorsorglich sollen aber beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) 30 zusätzliche Stellen entstehen, damit die Stromnutzungsdaten nicht in kriminelle Hände geraten. Das Schutzprofil BSI-CC-PP-0073 für das Smart Meter Gateway (Netzschnittstellen) ermögliche, daß „ein einheitlicher, hoher Sicherheitsstandard gewährleistet ist“, verspricht das BSI. Manipulationen abrechnungsrelevanter oder von Netzzustandsdaten, „das Ausspähen von Verbrauchsdaten“ oder Zugriffe „auf die Geräteeinstellungen oder -software“ sind aber nicht völlig auszuschließen.

Die EY-Studie sieht in den Stromkundenprofilen hingegen schon ein lukratives Geschäftsmodell. Eine „weitergehende Nutzung der Daten durch Dritte“ brächte Energieanbietern – à la Google oder Facebook – Zusatzgewinne, denn „intelligente Zähler bieten eine Plattform für andere Marktteilnehmer“ die so „Produkte und Mehrwertdienstleistungen leichter vermarkten“ könnten. Angesichts dessen war das Glühlampenverbot wirklich harmlos.

„Das Smart Meter Gateway“ des BSI:  bsi.bund.de/

„Kosten-Nutzen-Analyse für einen flächendeckenden Einsatz intelligenter Zähler“:  www.ey.com





Wasserzähler mit Kalenderfunktion

Neben der gesetzlichen Einführung von sogenannten intelligenten Stromzählern gibt es „Smartmeter“-Wasserzähler schon seit einigen Jahren. Und da im Gegensatz zur Strom- und Gasversorgung die Wasserverbraucher auf den jeweiligen regionalen Wasserversorger angewiesen sind, ist der Wechsel zu einem alternativen Anbieter unmöglich. Die Wasserwerke argumentieren, die elektronischen Wasserzähler sparten durch die Fernauslesung der Verbrauchsstände Kosten, die Verbrauchern würden nicht mehr durch Wohnungsbesuche gestört. Allerdings ist oft eine Kalenderfunktion integriert, mit welcher der Verbrauch jahrelang zurückverfolgt werden kann. Im Gegensatz zu den Stromzählern mit Internetanschluß sind die neuen Wasserzähler aufgrund ihres Batteriebetriebs kein permanenter Stromverbraucher und wegen ihrer geringen Sendeleistung keine Quelle von möglicherweise gesundheitsschädlichen Funkstrahlungen (Elektrosmog).

Kritiker-Seiten zu Elektrosmog:  www.izgmf.de  stopsmartmeters.org

Foto: Elektronische Stromzähler: Die Datennutzung durch Dritte schafft eine lukrative Plattform für andere Produkte und Mehrwertdienstleistungen