© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/15 / 21. August 2015

Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan
New Yorker Oper: Weiße Darsteller des Othello sollen nicht mehr schwarz geschminkt werden
Richard Stoltz

Der Kampf der mächtigen Kulturwarte dieseits und jenseits des Atlantik gegen den angeblich überall grassierenden Rassismus treibt immer kuriosere Blüten. Jetzt hat es die New Yorker Metropolitan Opera erwischt. Deren Leitung hat kürzlich angeordnet, daß bei Aufführungen der Verdi-Oper „Otello“ (nach Shakespeares „Othello, der Mohr von Venedig“) kein weißer Sänger der Titelfigur mehr schwarz geschminkt werden braucht. „Das war eine Tradition, die geändert werden mußte“, sagte Met-Chef Peter Gelb der New York Times. Dieses sogenannte Blackfacing gilt als „rassistische Diskriminierung“. Schließlich werde ein schwarzer Sänger, der den Fidelio oder den Hans Sachs aus den „Meistersingern“ geben soll, auch nicht extra weiß angemalt. 

Die Entscheidung ist nicht nur politisch lächerlich, sondern auch künstlerisch kontraproduktiv. Othello, ob nun bei Shakespeare oder bei Verdi, ist nur als Schwarzer denkbar und einsetzbar. Seine Hautfarbe ist ja das eigentliche Thema des gewaltigen Stückes. Dauernd wird über seinen Mohrenstatus gesprochen, respektive gesungen. Die Intrigen und Verleumdungen des schurkischen Jago, die ihn in die Eifersucht und zum Mord an Desdemona sowie zur Selbsttötung treiben, sind voll auf der habituellen Schwärze des Mannes aufgebaut,

Wenn das Beispiel der Metropolitan allgemein Schule macht, dürfen künftig Othellos nur noch von natürlich schwarzen Sängern und Schauspielern gegeben werden. Was aber das Argument mit den schwarzen Fidelios oder Aidas betrifft, die ja auch nicht extra weiß angemalt würden, so wäre zu fragen: Wo sind denn diese stimmgewaltigen und gut ausgebildeten schwarzen Fidelios und Aidas? Bisher hat sich noch kaum einer von ihnen für „weiße“ Rollen aufgedrängt. Sie bleiben offenbar lieber bei ihren angestammten Leisten, und das ist zweifellos gut so.

Doch was soll’s? Bald wird in der hiesigen Kultur mit angestammten Leisten sowieso total Schluß sein. In Hintertupfingen wird Schillers „Jungfrau von Orléans“ heute schon von einem überfetteten Jüngling gespielt und Hofmannsthals Überreicher der silbernen Rose von einer munteren Oma aus dem Seniorenheim. Wen kümmert da noch, wer wie angemalt wird und warum.