© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/15 / 21. August 2015

Legalisierung von Cannabis
Ein völlig falsches Signal
Rainer Wendt

Während überall in Deutschland verantwortungsbewußte Eltern alles daransetzen, ihre Kinder zu einem Leben ohne Drogen zu erziehen, haben manche Politiker nichts Besseres zu tun, als ihnen in den Rücken zu fallen und pausenlos öffentlich darzulegen, daß der Konsum von Cannabisprodukten gesellschaftlich nahezu anerkannt sei und deshalb legalisiert werden solle. Damit konterkarieren sie die Vorbildfunktion von Politik und tragen zur Verunsicherung junger Menschen bei.

Die Bezirksbürgermeisterin aus dem Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Monika Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen) hat an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte den Antrag gerichtet, Abgabestellen für legalen Cannabis-Verkauf einrichten zu dürfen. Auch der neugewählte Bremer Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) ist mit einer entsprechenden Forderung unterwegs. Dabei fragt man sich tatsächlich, ob ein Regierungschef des hochverschuldeten Landes Bremen nicht wirklich andere Aufgaben haben sollte. Der Gipfel des Zynismus ist die vom ehemaligen Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum geäußerte Erwartung, mit den Steuereinnahmen aus dem Cannabis-Verkauf den Haushalt sanieren zu wollen.

Die schrecklichen Folgen von unverantwortlichem Umgang mit Nikotin und Alkohol sind schlimm genug. Aber zu diesen Gefahren ohne Not und aus reinem Zeitgeistinteresse eine neue hinzuzufügen, ist der absolut falsche Weg.

Ein solches Konjunkturprogramm für Drogendealer wird es nicht geben, und das ist auch gut so. Man kann mit großer Sicherheit davon ausgehen, daß die Verantwortungsträger des besagten Bundesinstituts die schädlichen Wirkungen von Cannabis einzuschätzen wissen und in ihrer Folgenabschätzung zu dem Ergebnis kommen werden, keine Erlaubnis für den staatlichen Verkauf von Cannabis zu erteilen. Anders als manche Politiker werden sich die Fachleute nicht von der Befriedigung parteipolitischer Klientelinteressen, sondern von den nachgewiesenen neurotoxischen Risiken des Cannabis-Konsums leiten lassen.

Richtigerweise wird es auch nicht zu einer strafrechtlichen Legalisierung kommen; auch künftig ist von einer grundsätzlichen Strafbarkeit des Cannabis-Konsums auszugehen – und auch das ist richtig und notwendig. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, Polizei, Justiz und Jugendbehörden so auszustatten, daß Strafverfolgungsmaßnahmen ebenso möglich sind wie wirkungsvolle Interventionsmöglichkeiten von Sozialarbeitern und Therapeuten. Die Verfahrensdauer muß verkürzt und staatliche Sanktion spürbar und erkennbar sein, wenn sie ihre generalpräventive Wirkung auch entfalten sollen. Das muß nicht immer Strafe, sondern es können durchaus auch direkte Ansprache, Aufklärung und gegebenenfalls gezielte Therapieangebote sein.

Die unterschiedliche Strafverfolgungspraxis der Bundesländer setzt völlig falsche Signale. Der Verzicht auf Strafverfolgung beim Besitz geringer Mengen ist höchst unterschiedlich geregelt und trägt nicht zur Rechtssicherheit bei. Die Bundesländer sollten sich auf ein einheitliches Vorgehen verständigen und gerade beim Konsum geringer Mengen nicht allein auf das Strafrecht setzen. Vielmehr sollten umfangreiche Therapie- und Beratungsangebote als fester Bestandteil staatlicher Reaktion etabliert werden.

Die bundesweite Informationskampagne zum Thema Alkoholmißbrauch, die sich gezielt an junge Menschen richtete, war erfolgreich; die Zahl jugendlicher „Koma-Trinker“ ging zurück. Dies zeigt, daß der Staat alles andere als machtlos ist oder keinerlei Steuerungsinstrumente außer der Keule des Strafrechts habe.

Der dauernde Hinweis darauf, daß ja Tabak- und Alkoholkonsum legal sei und deshalb auch der Konsum von Cannabis selbst entschieden werde solle, ist alles andere als sachgerecht. Die schrecklichen Folgen von unverantwortlichem Umgang mit Nikotin und Alkohol sind schlimm genug, und wir dürfen nicht nachlassen, ihre Ursachen zu bekämpfen. Aber zu diesen Gefahren ohne Not und aus reinem Zeitgeistinteresse eine neue hinzuzufügen, ist der absolut falsche Weg.




Rainer Wendt, Jahrgang 1956, ist seit 1973 aktiv im Polizeidienst tätig. Er ist Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG).