© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/15 / 28. August 2015

Vermarktung der Selbstgefälligen
RB Leipzig als Feindbild aufrechter „Kultclubs“
Matthias Bäkermann

Jagd im Rudel, das macht Spaß. Am besten vorneweg, auf der Seite der Guten. Auch im Bundesligafußball sind die Rollen seit langem klar verteilt: böse kapitalträchtige Clubs, allen voran der FC Bayern und sein Festgeldkonto, auf der einen, die „bunte“ Fankultur in einem „Kultclub“ mit Underdog-Attitüde auf der richtigen Seite. Der Hamburger Zweitligaverein FC St. Pauli pflegt dieses Image mit viel Aufwand. Damit jeder merkt, wie gut, links und antikapitalistisch man „im Kiez“ sein Geschäft versteht, publizierte die eigene Fanzeitschrift vergangene Woche den Spielplan und die Tabelle ohne das Logo des RB Leipzig. „Zeichen setzen“, damit kennt man sich aus.

Werbung eines Getränkeherstellers

RB Leipzig ist nämlich der böse Onkel der Liga, weil der Getränkehersteller Red Bull dort einen „Retortenclub“ unterstützt, der die bedenkliche Absicht hat, im Profifußball oben mitzumischen und letztlich Geld zu verdienen. Da sind fast alle deutschen Fankurven einer Meinung und zeigen das selbstbewußt mit haßerfüllten Transparenten: Die sind noch schlimmer als Hoffenheim und deren Finanzier Dietmar Hopp, den die Leipziger nun als Feindbild beerben. „Auch wegen ihres undemokratischen Vereinsrechts“, weiß noch jene trübste Tasse mit Fanschal nachzuplappern, die die Jahreshauptversammlung des eigenen Vereins bisher nie interessiert hatte.

„Wir wollen keine Werbung machen für eine bestimmte Firma. Punkt!“ So begründete St. Pauli-Trainer Ewald Lienen in der Pose des Revolutionärs den Vorstoß seines Vereins, dessen Elf diese Saison für eine Menge Zaster die Werbung des Telefonanbieters Congstar spazieren trägt und für den Spiele gegen Leverkusen mit ihrem Bayer-Logo nie ein Problem waren. Selbst nicht, als ein notorisch insolvenzgefährdeter FC St. Pauli seine Trainer noch über das Arbeitsamt rekrutierte (Helmut Schulte), Zuschauer am Millerntor auf einer zugigen Stahlgerüsttribüne froren und die Kicker nach dem Spiel in Containern duschen mußten. 2015 sind das für die St. Paulianer, die inzwischen Millionengewinne einfahren und in einem nagelneuen Stadion mit VIP-Lounge spielen, Mythen von gestern.

Heute genügt es im „Freudenhaus der Liga“, einen finanzstarken Emporkömmling im Geschäft beifallheischend als Paria zu denunzieren. Das nutzt dem aufsässigen Image, kostet nichts, und der eigene Anhang jauchzt verzückt. Selbstgerechtigkeit als Strategie der Eigenvermarktung funktioniert schließlich nicht nur im Fußball.