© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/15 / 04. September 2015

Gauck fordert Umdenken beim Thema Nation
Gewöhnt euch gefälligst
Moritz Schwarz

Und wieder sorgt Bundespräsident Joachim Gauck für Debatten. In einem Interview mit dem Bonner General-Anzeiger forderte er die Deutschen auf, sich vom Bild einer Nation zu lösen, die homogen, christlich, hellhäutig und in der Deutsch die Muttersprache fast aller sei. Zunächst ist festzustellen, daß die deutsche Nation noch nie homogen war. Man fragt sich, wieso und wozu ein gebildeter Mensch diese unsinnige Propagandabehauptung, die Rechtsextremisten, Antideutsche und Multikulturalisten brüderlich eint, weiterverbreitet. Die nächste Frage lautet: Ist diese Forderung seinem Amt angemessen?

Hier sticht die Replik von AfD-Chefin Frauke Petry, die sich am Dienstag äußerte: „Gaucks Einlassungen (...) offenbaren für mich sein gestörtes Verhältnis zur Demokratie.“ Denn die Diskussion über das Selbstverständnis der deutschen Nation könne „nur vom Souverän, also dem Volk, geführt und nicht von oben vorgegeben werden“.

Damit trifft Petry den Punkt. Natürlich ist es auch Aufgabe unserer Staatsrepräsentanten, moralische Richtlinien zu vertreten – politische Umerziehung gehört allerdings nicht dazu. Die Empfehlung, die Deutschen hätten sich gefälligst daran zu „gewöhnen“, ist von einer unterschwelligen Verachtung und moralischen Selbstherrlichkeit geprägt, die besser zu jenem politischen System paßt, in dem der junge Gauck einst gegen seinen Willen politisch sozialisiert wurde.