© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/15 / 04. September 2015

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
„Wir schaffen das“
Marcus Schmidt

Schon der Termin durchbrach die Routine. Traditionell kommt Bundeskanzlerin Angela Merkel in den letzten Tagen vor der Sommerpause in die Bundespressekonferenz, um sich den Fragen der Hauptstadtjournalisten zu stellen. Aber die Griechenland-Rettung machte diesen Plänen in diesem Jahr einen Strich durch die Rechnung. Kurzfristig mußte Merkel ihren für den 17. Juli geplanten Auftritt absagen. 

Doch auch als Merkel am Montag der Einladung der Bundespressekonferenz schließlich folgte, lief manches anders als sonst. Wo sonst alle möglichen aktuellen politischen Themen angesprochen werden, beherrschte nur ein Thema die Pressekonferenz: die Flüchtlingskrise. Gleich zu Beginn kündigte Merkel für Ende September ein „umfassendes Paket“ zur Bewältigung der Einwandererströme an. Damit sollen vor allem die Unterbringung geregelt und die Verfahren beschleunigt werden.

Daß Merkel die Sorge umtreibt, die Bundesrepublik könnte von der ständig steigenden Zahl von Asylbewerbern überfordert werden, war nicht zu erkennen. „Deutschland ist ein starkes Land“, sagte sie stattdessen. „Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das.“ Als Beispiele für die aus ihrer Sicht gelungene Lösung schwieriger Situationen in ihrer Regierungszeit nannte sie die Bankenkrise und die Energiewende. Sie deutete an, daß auch jetzt ungewöhnliche Maßnahmen notwendig sein könnten. „Deutsche Gründlichkeit ist super, jetzt ist aber deutsche Flexibilität gefragt“, sagte Merkel und verwies auf mögliche gesetzliche Erleichterungen in der Brand- und Bauordnung, um schnell ausreichend Unterkünfte zur Verfügung zu stellen.

 Erwartbar deutlich fielen Merkels Reaktionen auf die rechtsextremisischen Ausschreitungen im sächsischen Heidenau und die wachsende Zahl von Angriffen auf Asylbewerberunterkünfte aus. Diese seien durch nichts gerechtfertigt. „Ich habe nicht die Spur von Verständnis“, bekräftigte Merkel. Menschen, „die sich dagegenstellen“, müßten ermutigt werden. Überraschend fügte sie hinzu: „Es gibt auch ziemlich harte linksextremistische Vorfälle, die man nicht verschweigen soll. 

Angesichts der momentanen Entwicklung machte Merkel deutlich, daß ein von der SPD gefordertes Einwanderungsgesetz für sie derzeit keine Priorität hat. Später könne man über das Thema wieder sehr nüchtern reden, stellte sie in Aussicht. Mit anderen Worten: Das Gesetz ist auf absehbare Zeit vom Tisch.

Eines wurde am Montag jedenfalls deutlich: Die Bundeskanzlerin scheint entschlossen, nach Wochen des Abwartens, die Asylkrise auf die ihr eigene Art zu lösen: kühl, sachlich, unaufgeregt. Kritiker sagen: emotionslos. Dies dürfte ihr schon bald Kritik von links einbringen. Denn Merkel sagte auch: „Rückführungen und Einreisesperren gehört zur Wahrheit dazu.“ Am Ende brach Merkel die Asylkrise, die das Land seit Wochen wie nichts anderes in Atem hält, auf einen einzigen Satz herunter.  „Alles spricht dafür“, sagte die Bundeskanzlerin, „daß wir ein Land sind, in das man gerne einwandert.“