© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/15 / 11. September 2015

Grüße aus Reykjavík
50, 500 oder doch 15.000
Erik Eriksen

Sage und schreibe siebzehntausend Facebook-User auf Island folgten einem Appell der Initiative „Kæra Eygló Harðar – Sýrland kallar“ (Liebe Eygló Harðard – Syrien ruft“). Gestartet von der isländischen Schriftstellerin Bryndís Björgvinsdóttir, fordert der Appell Sozialministerin Eygló Harðardóttir auf, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Bisher hatte die Regierung lediglich 50 sogenannte „Quotenflüchtlinge“ ins Land lassen wollen. 

Kein Wunder. Die 330.000 Einwohner zählende Insel am Nordwestrand Europas ist für Zuwanderer aus dem Mittleren Osten nur schwer zu erreichen. Die Problematik daher weit entfernt.

Doch die Sympathiewelle – innerhalb von 48 Stunden erreichte die Initiative, daß sich 900 Isländer als freiwillige Flüchtlingshelfer beim isländischen Roten Kreuz meldeten – zeigte Wirkung. Islands liberal-konservative Regierung unter Premier Sigmundur Davíð Gunnlaugsson reagierte und erklärte, daß ein neuer Kabinettsausschuß geformt worden sei, mit der Aufgabe herauszufinden, was Island konkret mehr tun könne, um den Flüchtlingen zu helfen. Daraufhin erklärten sich einige Kommunen  bereit eine noch zu entscheidende Zahl aufzunehmen. Die Zahl 500 scheint dabei wahrscheinlicher als 5.000. 

Für viele handelt es sich lediglich um verantwortungsfreies Gutmenschentum.

Nicht alle Isländer goutieren die Aktion. Im Gegenteil sprechen viele von einem Forum, das allein Platz für ein verantwortungsfreies Gutmenschentum biete. Auch wenn viele kritische Kommentare von den Machern des Facebook-Appells gelöscht worden sind, fehlt es dort nicht an warnenden Stimmen. So schreibt ein in England wohnender Isländer: „Ratet mal, was Nottingham und Malmö gemeinsam haben – einen großen Bevölkerungsanteil an Einwanderern und ausufernde Gewalt. Ich denke, es ist ein großer Fehler, eine hohe Anzahl von Einwanderern aufnehmen zu wollen, die sich möglicherweise gar nicht in die Gesellschaft integrieren lassen wollen. Ich weiß, es ‘fühlt sich gut an’, aber auf lange Sicht könnte dies zu gesellschaftlichen Konflikten führen. 

Doch während sich die einen   um 50 und 500 Zuwanderer streiten, bejubelten 15.000 im Nationalstadion Laugardalsvöllur am Sonntag Islands sensationelle Qualifikation für die Fußball-Europameisterschaft 2016. Trotz Dauerregens strömten zudem Tausende in Reykjavíks Innenstadt und feierten ausgelassen. Frankreich, wir kommen!