© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/15 / 11. September 2015

Wirtschaftslobby will die deutsche Vorrangprüfung abschaffen
Europäer, hinten anstellen
Jörg Fischer

Angela Merkel will die Integration Hunderttausender Flüchtlinge „zu einer nationalen Aufgabe machen“. In der Berliner Morgenpost wurde die CDU-Chefin deutlicher: „Eine Beschränkung der Zahl der Asylbewerber kennt das Grundrecht auf politisches Asyl nicht. Als starkes, wirtschaftlich gesundes Land haben wir die Kraft, das zu tun, was notwendig ist.“ Alles andere rückt dabei in den Hintergrund: etwa die Perspektiven für die 4,8 Millionen Deutschen und hier lebenden Ausländer, die derzeit als arbeitsuchend registriert sind.

Auch die 17,6 Millionen Arbeitslosen im Euro-Raum und die 23,3 Millionen in der EU interessieren kaum noch – dabei hätte jeder theoretisch Anspruch auf eine Beschäftigung in Deutschland. Allein im Eurokrisenland Spanien sind 5,1 Millionen arbeitslos, die Erwerbslosenquote liegt bei 22,5 Prozent. In Griechenland sind es 25,6 Prozent, in Kroatien 15,8 und in Portugal 13,2 Prozent. Die Vorrangprüfung bei der Stellenvergabe an Deutsche, EU-Bürger oder Drittstaatler mit Arbeitserlaubnis wie etwa Türken ist der Wirtschaftslobby seit langem ein Dorn im Auge.

Die Asylkrise scheint nun der politisch korrekte Hebel, dies abzuschaffen: „Der Zugang zum Arbeitsmarkt sollte die Integrationsperspektiven der Asylbewerber berücksichtigen – und nicht zuerst hiesige Fachkräfteengpässe“, fordert das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Policy Paper 26/15). Sozialministerin Andrea Nahles zögert zwar noch, jedoch nach drei Monaten Aufenthalt könne sie sich „eine befristete Aussetzung der Vorrangprüfung für die Dauer von drei Jahren gut vorstellen“, verriet das IG-Metall-Mitglied dem Spiegel.

Bleibt die Frage, warum sich der Fachkräftebedarf nicht via EU-Binnenmarkt decken läßt? Doch darum geht es dem IW nicht. Ziel ist, das Arbeitskräfteangebot auszudehnen – nur so lassen sich Löhne und Arbeitsbedingungen im Zaum halten. Die Asylanten dienen dabei nur als Reservearmee. Und für EU-Bürger heißt es künftig: Bitte hinten anstellen!