© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/15 / 11. September 2015

Zeugnisse unserer Tüchtigkeit
Der kommende Sonntag ist Tag des offenen Denkmals: Technik und Industrie stehen im Mittelpunkt
Bernd Rademacher

Wann kommt man schon mal in historische Gebäude, in die nicht jeder einfach hineindarf? Einmal im Jahr – am Tag des offenen Denkmals! Seit 1993 lassen sich Baudenkmäler nicht nur von außen bestaunen, sondern auch von innen; die Deutsche Stiftung Denkmalschutz macht’s möglich und bringt Leben in Tausende Gebäude mit Geschichte.

Fast 8.000 Kulturstätten in ganz Deutschland öffnen am 13. September ihre Türen. Diesmal hat der Denkmaltag das Schwerpunktthema „Handwerk, Technik, Industrie“. Alte Fabrikhallen, Wind- und Wassermühlen, technische Anlagen – allerhand Gemäuer und Gewölbe werden unter fachkundiger Führung erkundet. Besonders solche, die sonst nicht für Publikumsverkehr geöffnet sind.

Handwerker demonstrieren alte Verfahren

Historische Industriebauten sind eng mit der sozialen Entwicklung ihrer Region verwoben, wie zum Beispiel die Essener Zeche Zollverein mit ihrer sehenswerten Jugendstil-Architektur. Doch besonders interessant sind die denkmalgeschützten Maschinenhallen und Manufakturen, zu denen der Zutritt normalerweise nicht möglich ist, wie das Kraftwerk Berlin-Steglitz von 1911. In den 1920er Jahren wurde hier das erste Fernheiznetz errichtet, später stabilisierte es die Stromversorgung der Insel West-Berlin.

Überhaupt ist Berlin mit allein 350 Objekten eine Hochburg des Denkmaltages. Eines davon ist der Straßenbahnbetriebshof Köpenick mit seinen Türmchen, Giebeln und Rundbögen aus Kaisers Zeiten, von außen ein wahres Jugendstilschloß. Von innen eine Abstellanlage mit zwei Wagenhallen und 18 Gleisen. Ebenfalls in Köpenick liegt die Archenhold-Sternwarte, die Besuchern ebenfalls normalerweise verschlossen bleibt. Das 1896 konstruierte Riesenfernrohr wird bis heute genutzt und ermöglicht allen Interessierten einen Blick ins All – falls das Wetter mitspielt.

Die Besucher erfahren nicht nur Wissenswertes über Bauten und Technologie: Handwerker demonstrieren alte Verfahren am konkreten Objekt. Zudem wird über die Probleme beim Erhalt und der fachgerechten Instandsetzung von Denkmälern informiert und wie sich Personen, Vereine oder Unternehmen dafür engagieren können.

Geschichte von Genius  und Fortschritt

Und schließlich präsentiert die Aktion nicht nur historische Architekturgeschichte, sondern auch Geschichte von Genius und Fortschritt in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert.

Das bundesweite Programm mit allen geöffneten Denkmälern in Ihrer Region steht auf www.tag-des-offenen-denkmals.de. Mit einer kostenlosen App lassen sich Denkmäler nach Kategorien suchen und attraktive Tagestouren anzeigen.

Fotos: Historisches Hammerwerk in Annaberg-Buchholz: Schlagkraft bis zu zwölf Tonnen; Historischer Zug der Schwarzwaldbahn: Fortschritt unter Volldampf; Handwerkszunftzeichen an Häuserfassade in Kraichtal-Gochsheim: Stolz auf Erreichtes; Hubbrücke in Lübeck von 1900: Wo Innovation mit Schönheit und Tradition einen Bund eingeht; Antennenanlage der Erdfunkstelle Raisting von 1964: Früher Kontakt mit Satelliten, heute Denkmal; Rohre am Klinikum Aachen-Laurensberg: Größtes zusammenhängendes Krankenhausgebäude Europas