© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/15 / 18. September 2015

Labour wählt Linken Jeremy Corbyn zum Vorsitzenden
Cord statt Nadelstreifen
Christian Vollradt

Staunen und Kopfschütteln allenthalben: Da hat die Labour-Basis doch tatsächlich via Urwahl einen Dissidenten von Linksaußen an die Parteispitze gesetzt. Einen bekennenden Sozialisten, der Enteignungen das Wort redet, einen Pazifisten, der die (eigenen) Atom-U-Boote ausmustern will; einer, der für die ausgebeulten Cordhosen der Gewerkschaft steht, nicht für die maßgeschneiderten Nadelstreifen der Ära Blair. Das – zuvor krachend gescheiterte – Establishment der Partei ist erschüttert, die Konservativen lachen sich ins Fäustchen. Labours Linksruck dürfte ihnen das Leben leichter machen.
Wie kommt’s? Jeremy Corbyn ist ein Etablierten-Schreck und Volkszorn-Versteher; darin vergleichbar mit Donald Trump. Populisten werden solche Leute in der Regel genannt. Ob sie von links oder von rechts kommen, scheint (außerhalb Deutschlands) fast sekundär. Erfolg hätten sie mit ihren exzentrischen Ansichten kaum, gäbe es nicht eine wachsende Unzufriedenheit derer, die sich als Globalisierungsverlierer abgestempelt sehen und vor sozialer Deklassierung fürchten. Wer sie nicht den politischen Rändern überlassen will, sollte ihre Ängste ernst nehmen. Trifft es zu, daß die britischen „Sozis“ unseren immer ein paar Jährchen voraus sind – Stichwort „New Labour“ als Blaupause für Gerhard Schröders Agenda 2010 –, sollte sich Sigmar Gabriel dringend Gedanken machen, wie er einen „Jeremy Corbin“ in der SPD verhindern will.