© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/15 / 25. September 2015

Grüne Lunge der Erde
Bedrohte Lebensräume: Eine Ausstellung im Rosenheimer Lokschuppen zeigt auf interaktive Weise viele Facetten des Regenwaldes
Felix Dirsch

Zu den Erzählungen über den Regenwald in den letzten Jahrzehnten gehören auch die Hinweise auf seine Gefährdungen. Waren einst zwanzig Prozent der eisfreien Fläche der Erde von Regenwäldern bedeckt, sind es heute gerade noch sieben. Angesichts vielfältiger Bedrohungen ist es an der Zeit, sich intensiver mit der nicht nur geographisch fernen Problematik zu beschäftigen. Rudimentäre Kenntnisse bei den Bürgern sind durchaus vorhanden. Viele Schulkinder wissen schon von der Bedeutung des Regenwaldes im Hinblick auf das Erdklima.

Die Ausstellung im Rosenheimer Lokschuppen leistet einen beachtlichen Beitrag zur Bewußtseinserhellung. Die Präsentation ist interaktiv aufgebaut. Nicht nur Wissen sollen sich die Besucher aneignen, sondern auch gegenüber den vielfältigen ökologischen Aspekten sensibel werden. Natürlich ist ein praktisch-erzieherischer Gesichtspunkt impliziert. Es wird an verschiedenen Stationen gezeigt, wie wir alle von der Ausbeutung dieser so fruchtbaren Regionen profitieren und als Konsumenten quasi indirekt Mitzerstörer der betreffenden Landschaften sind. 

In Eingangsnähe sind Gartenstühle zu sehen, für deren Fertigung nicht selten Tropenhölzer verwendet werden. Beim Mobilfunkgerät denkt man nicht zuerst an den Regenwald. Dennoch findet man auch hier Bezüge, nämlich über den Rohstoff Coltan. Da dessen Abbau hohe Gewinne abwirft und im Kongo die Bürgerkriegsparteien diese Einnahmen in Waffenkäufe umsetzen, wird sichtbar, wie der europäische Normalverbraucher an solchen schädlichen Ketten beteiligt ist. Darüber hinaus werden die Lebensräume der Gorillas zunehmend zerstört. Weiter gehört Palmöl zu den begehrtesten Ölsorten der Welt, das besonders in Malaysia und Indonesien angebaut wird. Man gewinnt es aus den Kernen der Ölbäume. Angesichts der erzielten hohen Preise verwundert es nicht, daß riesige Baumbestände zur Gewinnung des Öls gefällt werden. Das Geschäft ist nicht nur für einheimische Unternehmer, sondern auch für weltweite Kapitalanleger sehr lukrativ.

Am Anfang der Ausstellung wird der Interessent mit den Verbreitungsgebieten um den Äquator vertraut gemacht, die sich über drei Kontinente erstrecken: Südamerika, Afrika und Asien. In einer kleinen Kabine werden Temperatur und Luftfeuchtigkeit simuliert. Interaktive Bildschirme bringen dem Betrachter mittels Knopfdruck die ungeheuer reichhaltigen Biotope ein Stück näher. Insbesondere die Baumkronen beherbergen eigene Tier- und Pflanzenwelten von erstaunlichem Ausmaß. So werden einige Aspekte der Fülle an symbiotischen Beziehungen zwischen Tieren und Pflanzen sichtbar. Die lebendige Vielfalt wird so plastisch wie möglich herausgestellt. Besonders am Beispiel eines Ameisenorganismus und eines Pilzbiotops ist das hervorragend gelungen.

Zu den bekanntesten mit Regenwäldern bedeckten Gebieten zählen Amazonien und seine indigenen Stämme. Sie sind ein attraktives Forschungsobjekt für Archäologen sowie Kulturanthropologen, und das schon geraume Zeit.

Naturvölker, die die Phantasie der vermeintlich zivilisierten Europäer anregen, bilden in allen Regenwaldgegenden spezifische Gebräuche, Riten und vieles mehr aus. Nicht alle von ihnen sind menschenfreundlich. So kennen die Sateré-Mawé, Mitglieder eines Brandrodungsstammes, ein Initiationsfest, in dessen Mittelpunkt 24-Stunden-Ameisen stehen. Ihre Stiche bewirken tagelange Schmerzen und sollen Jungen erwachsen werden lassen, die einen Handschuh, gefüllt mit diesen Tieren, anziehen müssen.

Der schleichende Verlust dieser Regionen ist natürlich ein beherrschendes Thema. Schon im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich eine regelrechte Jagd nach verschiedenen Bodenschätzen, dem ein nicht geringer Teil des Baumbestandes zum Opfer fiel. Der Handel mit Edelmetallen ist profitabel. Die 1980er Jahre verzeichneten den Höhepunkt der Goldextraktionen in der gebirgigen Carajás-Gegend in Amazonien. Die Entstehung des „Schlachtfeldes Regenwald“ (Christian Feest) hat noch diverse andere Gründe. Man kann exemplarisch nennen: Unwissen, ungleiche Verteilung von Reichtum, Profitgier und Korruption, vor allem aber die Überbevölkerung. Die Regierungen der betreffenden Länder wollen durch spezielle Exporte (Holz, Metalle, Öl und andere Produkte) ihre Handelsbilanz verbessern. Die Überbevölkerung wird ein großes Problem – vornehmlich durch gezielte Umsiedelungsaktionen in Regenwaldregionen. So findet seit längerer Zeit ein Transfer nach Borneo statt, der die Inseln Java und Madura entlasten soll. Zu erwähnen sind auch die negativen Effekte, die sich aus der vermehrten Konsumption von Biotreibstoff ergeben.

Am Ende der sehenswerten Darbietung werden Ratschläge erteilt, die helfen sollen, Schädigungen des Regenwaldes zu vermeiden oder wenigstens einzuschränken. Dazu zählt unter anderem die Unterstützung von Organisationen, die sich für die Bewahrung der einzigartigen Biodiversität an diesen Orten einsetzen.

Die Regenwald-Ausstellung ist bis zum 29. November im Rosenheimer Lokschuppen, Rat-hausstr. 24, täglich von 9 bis 17 Uhr, Sa./So. ab 10 Uhr, zu sehen. Telefon: 080 31 / 365 90 36,

 www.lokschuppen.de