© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/15 / 02. Oktober 2015

Gut Wetter für Schleuserbanden
Asyl: In München soll ein mit Steuergeldern unterstützter Kongreß das Ansehen von Schleppern aufpolieren
Henning Hoffgaard

Der Sprecher der EU-Kommission in Deutschland, Reinhard Hönighaus, spricht Klartext: „Der Kampf gegen organisierte Schleuserkriminalität und Menschenhandel bleibt für die Europäische Kommission eine zentrale Priorität. Kriminelle sind für den Tod und das Leid unzähliger Menschen verantwortlich, die ein besseres Leben suchen“, sagt er der JUNGEN FREIHEIT. Das könnte eigentlich so stehen bleiben, gäbe es zwischen dem 16. und 18. Oktober in München nicht eine „Internationale Schlepper- & Schleusertagung“.

Ziel der Veranstaltung: „Die Image-Aufwertung sowie die damit einhergehende Neubewertung der Dienstleistungen Schleppen und Schleusen.“ Unterstützt wird das vom Bayerischen Flüchtlingsrat geleitete „Kunstprojekt“ von zahlreichen linken Gruppierungen und Vereinen. Pro Asyl, die Rosa-Luxemburg-Stiftung und das österreichische Projekt „Fluchthilfe & Du?“ stehen ganz oben auf der Liste der Unterstützer. Mit dabei ist auch die EU-Kommission. Genauer gesagt, der von ihr finanzierte Fonds „Europa für Bürgerinnen und Bürger“. Von diesem erhält der Verein „Menschenrechte ohne Grenzen e.V.“ 140.250 Euro. Aus dem Budget wiederum fließt ein „niedriger vierstelliger Euro-Betrag“ an die Schleppertagung, wie EU-Sprecher Hönighaus bestätigt. Kurz gesagt: Die Veranstalter erhalten Geld vom Steuerzahler.

 Ist also die Brüsseler Kommission auch der Meinung, daß Schlepper unter einem schlechten „Image“ leiden? „Nein“, sagt Hönighaus. „Diese Formulierung ist nicht wörtlich zu nehmen.“ Es handele sich um eine ironische Zuspitzung der Initiatoren. Alles nur Spaß also? Alles nur ein satirisches Kunstprojekt? Die Unterstützer- und Rednerliste der Tagung läßt das wenig glaubwürdig erscheinen. So arbeitet der Referent Ruben Neugebauer unter anderem für das „Peng Collective“, das Anfang August einen aufwendig produzierten Video-Beitrag veröffentlichte, in dem Privatpersonen aufgefordert wurden, Asylsuchende nach Deutschland zu schmuggeln. Die Linkspartei forderte bereits in der vergangenen Woche die Straffreiheit für Privatpersonen, die Asylsuchende nach Deutschland einschleusen. „Es ist angesichts der momentanen Lage das mindeste, die zivile unentgeltliche Fluchthilfe vom Straftatbestand der Beihilfe oder Schleusung auszunehmen“, sagte der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Jan Korte, der taz. Korte ist für vieles bekannt, allerdings nicht für seinen überbordenden Humor. Der Linken-Politiker meint es ernst.

Wie bei dem Diebstahl der Mauerkreuze in Berlin durch eine linke Gruppe (JF 47/14) soll unter dem Deckmantel der Kunst Politik betrieben werden. Als Referenten werden vor allem linke Migrationsforscher, Rechtsanwälte, Wissenschaftler und Journalisten angekündigt. Die Themen „Entkriminalisierung“, „DDR-Fluchthilfe“ und die Bedeutung von „Apps und Smartphones“ für Asylsuchende unterstreichen den ernsthaften Anspruch der Veranstaltung.

Goethe-Institut wird die Sache zu heikel

Einem der ursprünglich als „Förderer“ angekündigten Kooperationspartner wurde die Sache dann offenbar zu heikel. Das Goethe-Institut taucht mittlerweile nicht mehr als Unterstützer des Kongresses auf. Auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT teilte das Institut mit, es gebe keine finanzielle Beteiligung. Dennoch werde der Leiter des Goethe-Instituts in Istanbul, Christian Lüffe, eine Podiumsdiskussion moderieren. Die „künstlerische Reflexion von streitbaren Themen“ sei jedoch „Grundlage für ein demokratisches und offenes Land wie die Bundesrepublik Deutschland“. Die Stadt München bestätigte dagegen die Nutzung von Steuergeldern. Die Münchner Kammerspiele, wo die Veranstaltung stattfindet, seien „dem Kulturreferat zugeordnet und werden auch aus dem städtischen Kulturbudget finanziert“.

In der Politik regt sich nun Widerstand gegen die Aktion. „Insgesamt erscheint das weniger als ein gelungenes Kulturprojekt, sondern mehr als fehlgeleitete Politpropaganda“, kritisierte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in der Süddeutschen Zeitung. Den Begriff „Fluchthelfer“ nannte er mit Blick auf die steigende Zahl der Todesopfer durch Schleuserbanden in Europa eine „unerträgliche Verharmlosung“. Kammerspiele und Kulturreferat reagierten gereizt auf die Vorwürfe: „Die performative Inszenierung als Tagung dient als Mittel der Zuspitzung im Kontext des politischen und gesellschaftlichen Diskurses.“ Oder auf deutsch: Es geht den Veranstaltern um knallharte Politik.