© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/15 / 02. Oktober 2015

Zeitschriftenkritik: All About History
Auf der Spur spektakulärer Verbrechen
Werner Olles

Seit einem Jahr ist die deutsche Ausgabe des englischen Geschichtsmagazins All About History im Zeitschriftenhandel erhältlich. Das zweimonatlich mit einer Druckauflage von 70.000 Exemplaren und einem Umfang von etwa 100 Seiten erscheinende Magazin bietet vor allem eines: Geschichte im Schnelldurchlauf. So beschäftigt sich die aktuelle Ausgabe (6/2015) hauptsächlich mit spektakulären Verbrechen, die in der Geschichte seit jeher eine große Rolle spielen und von denen bisweilen eine seltsame Faszination auszugehen scheint, die in manchen Fällen sogar Jahrhunderte überdauern kann. In seinem Editorial zitiert der Herausgeber Oliver Buss den griechischen Philosophen Aristoteles, der über dieses Phänomen in seiner „Poetik“ berichtete, daß Gewalt Außenstehenden die Möglichkeit gebe „selbst Richter über Gut und Böse, über Richtig und Falsch zu werden und den Unterschied dazwischen zu erkennen“.

Im Falle des mysteriösen Serienmörders Jack the Ripper, der 1888 in London sein Unwesen trieb, und dessen Identität bis heute nicht geklärt ist, geht diese Faszination so weit, daß auch heute noch zahlreiche Touristengruppen dem Frauenmörder auf der Spur sind, die Orte seiner Verbrechen besuchen, um so der Lösung des Rätsels um die ermordeten Prostituierten im viktorianischen London womöglich einen Schritt näher zu kommen.

Ähnlich wie Jack the Ripper wurde auch der legendäre Postzugräuber Ronny Biggs zu einem Prominenten. Biggs war bei einem der waghalsigsten Verbrechen aller Zeiten mit von der Partie, als am 8. August 1963 eine Bande von 15 Kriminellen den Zug von Glasgow nach London überfiel und Dutzende Säcke voll Bargeld erbeutete. Doch anders als bei Jack the Ripper schlugen sich in seinem Fall viele Menschen auf seine Seite, weil er ein äußerst unterhaltsames Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei spielte und in der Boulevard-Presse zu einer Art modernem Robin Hood stilisiert wurde. Er floh schließlich nach Brasilien, heiratete dort eine Einheimische, mit der ein Kind hatte und konnte daher nicht ausgeliefert werden. Nach zwei Schlaganfällen verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide, und er kehrte 2001 äußerst angeschlagen in seine Heimat zurück, um sich endlich der britischen Justiz zu stellen. Im Juli 2009 wurde Biggs aus gesundheitlichen Gründen begnadigt, doch seine neu errungene Freiheit war nur von kurzer Dauer. Im Dezember 2013 starb er in einem Londoner Altenheim im Alter von 84 Jahren. Ein Drittel seiner Asche wurde auf seinen Wunsch hin am ehemaligen Tatort des großen Postzugraubs verstreut.

Weitere Beiträge des Heftes befassen sich unter anderem mit der „politischen Liebesaffäre“ zwischen Margaret Thatcher und Ronald Reagan, dem kriminellen und erotischen Leben in den Rotlichtvierteln von New Orleans im 19. und frühen 20. Jahrhundert, den Hexenprozessen von Salem und den Legenden und Verschwörungstheorien um die Suche nach dem „Nazi-Gold“.

Kontakt: bpa media, Georgstr. 48, 30159 Hannover. Das Einzelheft kostet 4,95 Euro, ein Jahresabo 26 Euro. 

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