© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/15 / 02. Oktober 2015

Knapp daneben
Abwechslung für Finanzbeamte
Karl Heinzen

Die deutschen Spielkasinos waren in der Vergangenheit eine solide Einnahmequelle für den Fiskus. Heute jedoch gehen ihnen die Gäste aus. Zu schaffen macht ihnen nicht allein die Konkurrenz im Internet, sondern auch die Vergreisung unserer Gesellschaft. Mit fortschreitendem Alter werden Menschen immer geiziger und risikoscheuer. Die Senioren unseres Landes mögen daher noch soviel Geld auf der hohen Kante haben. Anstatt es bedenkenlos in Spielhöllen zu verplempern, sparen sie lieber weiter fürs Alter. Zudem gelten viele Menschen, die man früher als Zocker abgetan hätte, heute als Investoren. Die Finanzwelt bietet eine bunte Vielfalt von als Anlagen firmierenden Wetten an, bei denen jeder mittun kann, ohne sich eingestehen zu müssen, dem Glücksspiel verfallen zu sein.

Dem Staat fällt es schwer, seine Bürokratie zu beschäftigen. Viele Beamte sind sensibel und bemerken das.

In Nordrhein-Westfalen als einem Bundesland, das traditionell jedem Strukturwandel hinterherhinkt, hat man diesen Trend aber noch nicht bemerkt. Obwohl die Einnahmen der vier landeseigenen Spielbanken in sechs Jahren um 75 Prozent zurückgingen, genehmigte man den Betrieb einer neuen in Köln. Überdies ist man weiterhin mit nahezu 100 Finanzbeamten in den Kasinos präsent, um sicherzustellen, daß auch ja alles mit rechten Dingen zugeht. Dafür hat sich die Landesregierung nun vom Rechnungshof eine Rüge eingehandelt. Diese mag unter dem Gesichtspunkt eines sparsamen Umgangs mit Haushaltsmitteln verständlich sein, doch mangelt es ihr an Empathie. Unserem Staat fällt es schwer, seine aufgeblähte Bürokratie zu beschäftigen. Viele Beamte sind sensibel genug, dies zu bemerken. Sie spüren den Leerlauf und empfinden sich zu Recht als überflüssig. Gehen sie in Pension, blicken sie auf ein Berufsleben zurück, in dem sie niemals irgend jemand wirklich gebraucht hat. Über Finanzbeamte, die in Spielbanken den Croupiers auf die Finger schauen und das Wechselgeld an der Kasse nachzählen, sollte sich daher niemand mokieren. Es ist besser, wenn sie sich in angenehmer Atmosphäre ein wenig die Zeit vertreiben und nicht andauernd in der Einsamkeit ihrer tristen Dienstzimmer über ihr verkorkstes Leben nachdenken müssen.