© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/15 / 09. Oktober 2015

Lesereinspruch

Tatsächlich Selektion

Zu: „Pränataldiagnostik / Um des Kindes willen“ von Ira Austenat (JF 37/15)

Die Argumentation erscheint mir unfair. Niemand in der Lebensrechtsbewegung ist gegen eine vorgeburtliche Diagnostik, sofern diese behandelbare Krankheiten beim ungeborenen Kind feststellt oder mögliche Geburtskomplikationen aufzeigt, die bei Vorwarnung verringert werden können. Der dargestellte Fall eines angeborenen Herzfehlers ist da ein gutes Beispiel. Zu nennen wären auch Blutgruppenunverträglichkeiten, die durch eine vorgeburtliche Bluttransfusion behandelt werden können, oder Ultraschalluntersuchungen, die eine abnorme Lagerung des Kindes anzeigen.

Das Problem liegt bei Untersuchungen auf nicht behandelbare Erkrankungen. Bereits heute werden über 95 Prozent aller Kinder mit Down-Syndrom abgetrieben. Neue treffsicherere genetische Tests aus dem mütterlichen Blut werden diese Abtreibungsrate weiter erhöhen. Da es für das Down-Syndrom keine Behandlung gibt, ist das Ziel dieser Diagnostik nicht die Behandlung der betroffenen Person, sondern deren Beseitigung. Somit handelt es sich hier weniger um Diagnostik als um Selektion.

Prof. Dr. med. Paul Cullen, Münster