© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/15 / 09. Oktober 2015

„Diese Methoden sind nicht akzeptabel“
Machtkampf: Vor der Wahl einer neuen Fraktionsspitze wird die Linkspartei von einem Skandal um geheime Personen-Dossiers erschüttert
Christian Schreiber

In der kommenden Woche wählt die Linksfraktion im Bundestag einen neuen Vorstand. Die Wahl von Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch galt als ausgemachte Sache. Den Post-Kommunisten ist es wichtig, daß beide Parteiflügel repräsentiert werden. Wagenknecht, die vierte Ehefrau des ehemaligen Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine, ist die Wortführerin des linken Spektrums, Bartsch gilt als Sprachrohr der Reformer. Doch nun gibt es richtig Ärger. 

Die Welt machte in der vergangenen Woche öffentlich, daß der 57jährige Bartsch geheime Dossiers über seine Kollegen im Parteivorstand anfertigen ließ. Insgesamt 44 Personen sollen so mit Hilfe seines Büroleiters kategorisiert worden sein. Dabei wurde nach Ost-West-Herkunft, Landesverbänden und „Einteilung in politische Lager“ unterschieden. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse seien ständig „überarbeitet, gegengeprüft und verifiziert“ worden, heißt es in einem Schreiben, aus dem die Welt zitiert. Besonders pikant ist die Einteilung in politische Lager, die vorgenommen wurde. „Z“ stand dabei für zuverlässig, „U“ für unabhängig und „L“ für „Lafodödel“. Damit wurden die Anhänger des ehemaligen saarländischen Ministerpräsidenten charakterisiert.

Parteichef Riexinger mahnt zur Ruhe

Der frühere SPD-Chef gilt seit Jahren als Intimfeind Bartschs. So verwunderte  es wenig, daß aus dem Saarland umgehend scharfe Kritik kam. „Eine solche Kategorisierung von Mitgliedern der Parteiführung ist mit der Kultur einer modernen Linkspartei nicht vereinbar“, kritisierte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Landtag, Heinz Biermann. „Diese Methoden sind nicht akzeptabel.“  Bartsch und seine Anhänger sind sich allerdings keiner Schuld bewußt. Es stehe außer Frage, daß der Realpolitiker seine Kandidatur für die Nachfolge von Gregor Gysi aufrechterhalten werde, teilt die Partei mit. Bartschs Verteidiger sagen zudem, die Vorgehensweise sei von niemand anderem als Gysi selbst in Auftrag gegeben worden. Der Sprecher der Linksfraktion, Michael Schlick, nannte den Vorgang „absolut legitim“. Dennoch korrigiert er die Darstellung der Welt in einem wichtigen Punkt: Die Anfrage sei von Gysi selbst an Bartsch herangetragen worden, dieser habe dann an einen Mitarbeiter delegiert. 

Auffällig ist, daß Bartsch offenkundig gezielt aus den eigenen Reihen diskreditiert werden soll. Bereits vor drei Monaten zitierte die Welt schon einmal aus internen Dokumenten. Das Blatt behauptete damals, daß der Partei durch den Verkauf von Anteilen an der Tageszeitung Neues Deutschland an einen Mitstreiter von Bartsch eine große Geldsumme entgangen sei. Bartsch, damals Bundesgeschäftsführer, habe diesen Deal selbst eingefädelt. Damals verebbte die Kritik schnell. 

Gregor Gysi will die Darstellung, er sei der Urheber der aktuellen Affäre, nicht so stehenlassen. Auf Distanz zu Bartsch geht er aber auch nicht: „Das einzige, was ich für möglich halte, ist, daß ich mich erkundigt habe: Wer ist da wer?“ Die Struktur des Vorstands habe ihn interessiert. „Aber daß ich Listen angefordert haben soll, ist absurd“, sagte Gysi, der aber einräumen mußte, diese gesehen zu haben. Wortgewandt wie eh und je bemühte sich Gysi schließlich, die Angelegenheit kleinzureden.  Alles kein Problem also? Der Reformer-Flügel um Bartsch sieht keinen Grund zur Aufregung. „Nichts Neues, daß in Parteien vor und nach Wahlen durchgezählt wird“, sagte die Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak der linken tageszeitung. 

Fraktionssprecher Schlick sagte Spiegel Online, es sei in Ordnung, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, welche Vorstandsmitglieder auf wessen Seite stehen. Für Schlick steht fest, daß „einige Unbelehrbare“ Öl ins Feuer gießen wollten: „Das ist der Versuch, jemanden mit unlauteren Mitteln zu beschädigen.“  Parteichef Bernd Riexinger, Vertreter des linken Flügels und in Bartschs Liste als „Lafodödel“ kategorisiert, mahnt zur Ruhe. Das alles sei lange her: „Ab sofort schauen wir nur noch nach vorne“, ließ er mitteilen und war damit nur wenig auskunftsfreudiger als Dietmar Bartsch selbst. Der sagte nämlich nichts.