© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/15 / 09. Oktober 2015

Mit Nachtwächtern gegen offene Grenzen
Sachsen: Mit dem Aufbau einer Hilfspolizei versucht der Freistaat, die Flüchtlingskrise und die wachsende Kriminalität zu bekämpfen
Paul Leonhard

Schwarzer Mantel, Hut, Hellebarde, blinkende Laterne, wacher Blick – wenn die Nachtwächter in Grenzstädten ihre Runden drehen, bleiben die Einheimischen mitunter stehen und seufzen tief: Ja, so ein Nachtwächter, das wäre es. Leider sind die Männer aber nur Touristenführer und als solche meist tagsüber unterwegs. Im Gemeinderat des ostsächsischen Landstädtchens Ostritz wurde aber jetzt tatsächlich über die Einführung von kommunalen Nachtwächtern diskutiert. Sie sollen jene von der Landespolitik skeptisch beurteilte Bürgerbewegung ablösen, die sich Bürgerwehr nennt und nicht nur in Ostritz, sondern vielerorts entlang der Grenze zu Polen und Tschechien aktiv ist, um Kriminelle abzuschrecken.

 Nachdem sich die sächsische Regierung jahrelang erst die Kriminalstatistik schöngeredet und dann die Polizeireviere im Grenzgebiet ausgedünnt hat, sieht sie sich jetzt in ihrem Gewaltmonopol bedroht. Eilends wurde ein bereits 2002 beschlossenes Gesetz entstaubt, das die Einrichtung einer Wachpolizei vorsieht. In Zwölf-Wochen-Lehrgängen können so Bürger zu Polizisten ausgebildet und befristet vorrangig zum Objektschutz eingesetzt werden. Von einer „aus der Not geborenen temporären Möglichkeit“ spricht die Gewerkschaft der Polizei. Immerhin könnte so die sächsische Polizei ein wenig entlastet werden. Diese ist nach dem Abzug der Bundespolizei aus dem Grenzgebiet an die Großstadtflughäfen nicht nur von der steigenden Kriminalität völlig überfordert, sondern auch durch die zunehmend gewalttätigen Auseinandersetzungen in Flüchtlingsunterkünften. „Veranstaltungen nach Versammlungsrecht mußten abgesagt werden, die Verfahrensbearbeitung ist nicht mehr zu schaffen, Abschiebungen können nicht realisiert werden, kurzum: Die Polizei ist unter diesen Bedingungen und aufgrund des Stellenabbaus handlungsunfähig“, räumt Frank Conrad, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, in der Sächsischen Zeitung ein.

Daß im westsächsischen Freiberg ein Asylbewerber einer Supermarktangestellten mit Enthauptung drohte, war der Tüpfelchen auf dem i, das die Stimmung endgültig kippen ließ und zahlreiche Geschäftsleute veranlaßt hat, ihr bisheriges Schweigen zu brechen. So berichtete der Filialleiter des benachbarten Freiberger Supermarktes,daß man von Asylbewerbern „angespuckt und beschimpft“ und vermehrt bestohlen werde.

Bellmann fordert konsequente Abschiebungen

Im Fall des Machetenüberfalls kommt hinzu, daß die Polizei einen der Angreifer, einen 27 Jahre alten Libyer nur vorläufig festnahm und dieser kurz darauf zurückkehrte und erneut randalierte. Untersuchungshaft könne nur bei Mord, Totschlag, schwerer Brandstiftung und Bildung terroristischer Vereinigungen angeordnet werden oder wenn Fluchtgefahr bestehe, teilte die zuständige Staatsanwaltschaft mit.

Für Aufregung sorgt vor allem die entsprechend geltendem Recht korrekte Aussage, daß diese Taten keinen Einfluß auf das Asylverfahren der Männer hätten. So ist das auch bei jenen Asylbewerbern, die in ihren Heimen Brände legten, Diebstähle begingen oder andere zusammenschlugen. Zweifelhaft ist selbst, ob überführte Vergewaltiger letztlich abgeschoben werden können.

Wie genau Asylbewerber und ihre Unterstützer die deutsche Rechtsprechung beobachten, berichtete der Freiberger Polizeichef der örtlichen CDU-Bundestagsabgeordneten Veronika Bellmann: So würden Asylbewerber vorsätzlich straffällig, um zu erreichen, daß ihre Abschiebung nicht vollzogen wird und sie durch die Länge der Verfahren dann den Duldungsstatus erhalten. Bellmann fordert inzwischen, daß „wer hier durch kriminelle Energie und Straftaten sein Asylrecht mißbraucht, Menschen und Sachen bedroht“, sein Aufenthaltsrecht verwirkt habe und „zwingend abgeschoben und bis zum Vollzug inhaftiert werden“ müsse, um die Allgemeinheit zu schützen, sagte sie der JUNGEN FREIHEIT. Ähnlich äußert sich Innenminister Markus Ulbig (CDU): Asylsuchende, die permanent gegen Recht und Gesetz verstießen, sollten künftig „konsequent verfolgt und abgeschoben“ werden. Die „bestehenden Regelungen und Verfahrensweisen“ seien hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit fortwährend zu prüfen.

 Inzwischen fürchtet auch Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) um die Sicherheit in Sachsen: „Wir brauchen Ordnung: Ordnung im Verfahren, Ordnung in unserem Land.“ Wer bleiben könne, müsse „unsere Werte teilen und sich an unsere Regeln halten“. Die in Sachsen seit 1990 regierende CDU hat nach einem schmerzhaften Problemleugnungsprozeß eingeräumt, daß man die „Steuerungsfähigkeit im Bereich Asyl“ verloren habe. Wie diese zurückerlangt werden kann, soll auf dem Landesparteitag am 14. November in Neukieritzsch bei Leipzig diskutiert werden. Wie hilflos die etablierte Politik ist, zeigt die Aufforderung an alle CDU-Vorstände, bis zum 23. Oktober „Ergänzungs- und Änderungsanträge“ zum Leitantrag zu formulieren, da man „die großen Herausforderungen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik nur gemeinsam“ meistern könne.

Unterdessen protestierten am Sonnabend in Sebnitz rund 3.000 Bürger als „lebende Grenze“ gegen die Asylpolitik der Bundesregierung. Auch in anderen sächsischen Städten gingen Tausende auf die Straße.