© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/15 / 09. Oktober 2015

Die kraftlose Hannelore
Nordrhein-Westfalen: Ministerpräsidentin Kraft versucht Neustart mit Kabinettsumbildung
Ansgar Lange

Das bevölkerungsreichste Bundesland ist von einem Virus befallen. Die tückische Krankheit, unter der Nord-Rhein-Westfalen leidet und die in ein langes Siechtum führen könnte, nennt sich politische Verzwergung. Schon die Ankündigung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nach der Bundestagswahl 2013, sie werde nicht nach Berlin wechseln, war ein schwerer Fehler. Inzwischen drängt sich der Verdacht auf, daß der Verzicht auf bundespolitische Ambitionen ein Eingeständnis der Begrenztheit ihrer Möglichkeiten war. 

Das zeigte sich nun auch bei der lange erwarteten Kabinettsumbildung. Drei namenlose Minister werden durch drei gesichtslose Minister ersetzt. Wenn die Umbildung als Aufbruchssignal gedacht war, ist Krafts Plan gescheitert. Wie sie mit einer solchen kraftlosenTruppe 2017 die Landtagswahl gewinnen will, erscheint vielen Beobachtern in Düsseldorf schleierhaft.

Der knorrige Gewerkschafter Guntram Schneider (SPD) muß gehen. Rainer Schmeltzer, ebenfalls Gewerkschafter und Sozialdemokrat, wird neuer Minister für Arbeit, Integration und Soziales. Vor allem beim Thema Integration konnte der gesundheitlich angeschlagene Schneider keine Akzente setzen. Die 35jährige frühere Standesbeamtin Christina Kampmann übernimmt das Familien- und Kultusministerium von Ute Schäfer, die nicht eine Duftmarke setzen konnte. Und auf die 67 Jahre alte Europaministerin Angelica Schwall-Düren folgt der 63jährige Kraft-Intimus Franz-Josef Lersch-Mense in bester Bindestrich-Tradition. Lersch-Mense ist seit 2010 Chef der Staatskanzlei und ein wichtiger Strippenzieher hinter den Kulissen.

Kraft fehlt es, das zeigt die Personalauswahl deutlich, an Gestaltungswillen. Es reicht eben nicht aus, nur die Kümmerin zu geben, den Sommerurlaub brav bei der Familienfreizeit des Landessportbundes im Sauerland zu verbringen und ohne Konzept zu regieren – ohne klare Kante, ohne Kompaß und Ziel. NRW hat große Probleme. Viele Kommunen sind hoch verschuldet. Bei den Themen Bildung, Kinderbetreuung, Wirtschaft und Arbeit ist das alte Industrieland nicht gerade der bundesdeutsche Klassenstreber.

Mit ihrer Regierungsumbildung rund anderthalb Jahre vor der Landtagswahl hat Kraft nach Ansicht von Beobachtern eine Chance vertan. Mit einem mutigen Wurf hätte sie Programm, Profil und Personal verbinden können. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Die Ministerriege des Kabinetts Kraft ist letztlich genauso farblos wie das Programm. 

Andere vermuten, daß das Revirement eher eine Panikreaktion auf sinkende Umfragewerte der SPD gewesen sei, die zuletzt hinter der CDU lag. Kraft wollte Führungsstärke zeigen und erntete doch ein vernichtendes Echo.