© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/15 / 09. Oktober 2015

Ohrfeige für den rigiden Sparkurs
Portugal: Die konservativ-bürgerlichen Wahlsieger müssen das Teilen lernen
Lukas Noll

Gestrichene Feiertage, drastische Gehaltskürzungen und höhere Steuern: Lustig waren die vergangenen vier Jahre für viele Portugiesen keineswegs. Seit das Land 2011 mit 78 Milliarden Euro Notkrediten vor der Insolvenz bewahrt wurde, hat die bürgerlich-konservative Regierung von Premierminister Pedro Passos Coelho den Gürtel spürbar enger geschnallt.

Daß Portugal nun bereits im zweiten Jahr positive Wachstumszahlen verkünden darf, honorierten die Wähler in Westeuropas ärmstem Land am Sonntag mit einer knappen relativen Mehrheit für das Regierungsbündnis „Portugal à frente“ (Vorwärts, Portugal) zwischen Passos’ rechtsliberalen Sozialdemokraten und der rechtskonservativen Volkspartei. Doch das Lächeln der Portugiesen wird Passos nicht reichen: Denn seinen bürgerlichen 38,3 Prozent steht eine linke Mehrheit im Parlament gegenüber. So konnte der Partido Socialista (PS) als wichtigste Oppositonspartei 32,4 Prozent erzielen, die grün-kommunistische CDU 10,2 Prozent und der kaum moderatere Linksblock 8,3 Prozent. Die Wahlen zur „Assembleia da República“ sind damit auch eine deutliche Ohrfeige für eine besonders rigide Sparpolitik, welche die Vorgaben aus Brüssel teils sogar noch verschärft umsetzte. Eine ähnliche Sprache spricht die Wahlbeteiligung: Mit 56,9 Prozent erreichte sie ihren historischen Tiefstand.

Mit der Regierungsbildung betrauen dürfte Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva dennoch das bürgerliche Lager. Dies ist vor allem der Radikalität der letzteren beiden Parteien geschuldet. Denn im Gegensatz zur eher sozialdemokratischen PS lehnen die beiden Protestparteien die Austeritätspolitik der Troika vollständig ab und sind auch gegenüber dem Tabu einer Rückkehr zum Escudo aufgeschlossen. 

Daß sich der gemäßigte PS dagegen grundsätzlich zur Sparpolitik bekennt, sie lediglich abfedern will, dürfte eine linke Koalitionsregierung daher mehr als unwahrscheinlich machen. So versprach der PS noch am Wahlabend, keine „Blockademehrheiten“ zu organisieren und machte damit einen deutlichen Wink mit der wohl wahrscheinlichsten Lösung für Portugal: einer bürgerlichen Minderheitsregierung, die für ihre Vorhaben auf die Tolerierung durch die Sozialisten angewiesen ist.