© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

Immer ein Macher
Ebenso spannend wie seine besten Thriller – Frederick Forsyth nimmt mit fulminanter utobiographie Abschied von der literarischen Bühne
Ansgar Lange

Dieses Buch liest man mit Genuß und Wehmut. Genuß, weil es so spannend geschrieben ist wie ein Thriller. Wehmut, weil es wohl Frederick Forsyths letztes Buch sein dürfte. Wenn man 1938 geboren wurde, dann hat man aber wohl jedes Recht, in den literarischen Ruhestand zu treten. Als piontierter konservativer Journalist dürfte Forsyth aber weiterhin tätig sein und ist als solcher ja auch den Lesern der JUNGEN FREIHEIT als Autor scharfzüngiger Analysen von der Insel oder Interviewpartner bekannt.

Nicht nur als Schriftsteller hat For-syth mit „Der Schakal“, „Die Akte Odessa“ oder zuletzt „Die Todesliste“ Maßstäbe gesetzt, wobei nach Ansicht des Rezensenten die in den siebziger Jahren erschienenen Bücher die stärkeren sind. Auch als Journalist war Forsyth, der nebenbei ohne Honorar – wie er in seiner Autobiographie enthüllt – auch für die Briten spionierte, ein unbestechlicher Zeitgenosse.

„Ein Journalist sollte sich nie mit dem Establishment gemein machen, allen verführerischen Schmeicheleien zum Trotz. Unsere Aufgabe besteht darin, die Mächtigen zur Rechenschaft zu ziehen, nicht, uns mit ihnen zu solidarisieren.“ Diese beiden Sätze möchte man vielen deutschen Journalisten, vor allem in den öffentlich-rechtlichen Medien, die nicht zu Unrecht von vielen Bürgern mittlerweile als Staatsfernsehen wahrgenommen werden, ins Stammbuch schreiben.

Ähnlich wie die „Eiserne Lady“ Margaret Thatcher wurde der junge Forsyth sehr von seinem Vater geprägt. Überhaupt hat er sehr positive Erinnerungen an die vierziger, fünfziger und sechziger Jahre, die von Altlinken und sich liberal dünkenden Personen gerne als muffig denunziert werden. Es waren herrliche Jahre ohne die Seuche der heutigen PC und des industriell betriebenen Gutmenschentums.

Forsyth, der seine Schreibmaschine, schöne Frauen und Autos, das Jagen, Fischen und Tauchen liebt, ist ein Sprachgenie. Er spricht unter anderem fließend Deutsch und berichtete als Journalist aus der DDR. Sein Vater wollte, daß sein einziger Sohn Deutsch lernte, „um das Land und die Menschen kennenzulernen“. Dies war nach dem Zweiten Weltkrieg im früheren Feindstaat Großbritannien nicht selbstverständlich.

Mit modischen Erscheinungen wie Smartphones und dem Internet fremdelt der sprachgewandte Brite. Seine Lässigkeit und sein klares Weltbild fußen auf den frühen Erfahrungen in den fünfziger Jahren: „Die Fünfziger waren eine gute, sorglose und unkomplizierte Zeit für Teenager, bar von Drogen, Sorgen und der politischen Korrektheit. Materiell besaßen wir wesentlich weniger als die Jugend heutzutage, doch ich glaube, wir waren glücklicher.“

Mit 17 Jahren war er der jüngste Pilot, den die britische Luftwaffe je hatte. Die Lust auf ferne Länder und das Fliegen hat er nie abgelegt. Seine Weltsicht speist sich nicht aus Büchern, sondern aus hautnaher Erfahrung, auf akribischer Recherche. Feine psychologische Nuancierungen à la Graham Greene, Eric Ambler oder John le Carré, allesamt auf der Linken beheimatet, sind seine Sache nicht, weder in seinen Thrillern noch in seiner süffigen Lebensbilanz. Forsyth entspricht dem Typus des anständigen Briten, der seine Heimat liebt, einem Bier in einem Pub nicht abgeneigt war und den Kopf nicht voller wirrer ideologischer Ideen hat. Daß er das schändliche Vorgehen der britischen Regierung im Biafra-Krieg anprangerte, daß er fest zur westlichen Wertegemeinschaft und zu Israel steht und die Gefahren von Sowjetkommunismus, Islamismus, alten Nazis und Europa-Gigantomanie niemals verschwiegen hat, zeigt, daß er ein geradliniger Kerl ist.

Insbesondere seine Ausführungen über den Antisemitismus im Foreign Office und auf seiten der britischen Linken, die Verlogenheit des Establishments und bei der BBC liest man mit Gewinn und denkt sich: So ähnlich ist und war es bei uns in Deutschland auch. Kein Wunder, daß der Zeitungsmann Forsyth bei der BBC scheitern mußte, denn politische Ranküne, ideologische Anpassung und Leisetreterei sind nicht sein Ding. „Die Sache mit Journalisten ist, daß sie im Lügen ziemlich gut sind. Darin haben sie Übung“, könnte auch auf den derzeitigen Zustand unserer Medienlandschaft gemünzt sein.

Forsyth war immer ein Macher. Lamentieren war nicht seine Stärke. Und so fing er mit dem Romanschreiben an, weil er große Geldsorgen hatte. Und im Frühjahr 1990 war er aufgrund der Machenschaft des Chefs einer Investmentfirma finanziell ruiniert. Seine Antwort: noch mehr Romane schreiben.

Schriftsteller sind oft nervöse Typen. Forsyth ist angenehm normal und neurosenfrei. Seine einzige Sucht sind Stille und Einsamkeit. Die hat er beim Schreiben gefunden, und die findet er „in einer zunehmend lärmenden, hektischen und überfüllten Welt“ vor allem auch „unter dem Wasser der Ozeane“.

Frederick Forsyth: Outsider. Die Autobiographie. C. Bertelsmann Verlag, München 2015, gebunden, 384 Seiten, Abbildungen, 19,99 Euro