© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

„Die Zerstörung der Zukunft“
Der französische Schriftsteller Jean Raspail hat die Ankunft von Millionen Einwanderern und den folgenden Untergang Europas vorhergesehen / Sein prophetischer Roman „Das Heerlager der Heiligen“ ist jetzt vollständig auf deutsch übersetzt wiedererschienen
Katharina Puhst

Herr Raspail, wissen Sie, daß Ihr Roman in Deutschland gerade ein Thema ist?

Raspail: Ja, das weiß ich. Das Buch wurde kürzlich neu aufgelegt, und der Verleger teilte mir mit, daß es sich sehr gut verkauft.

In Deutschland wütet der Wahn: Ich hege die größte Nächstenliebe!

Raspail: Das mag sein. Das hängt mit den Kriegserinnerungen zusammen. Von dem Schuldgefühl sollte sich Deutschland ein für allemal losreißen, denn es hat eine wunderbare Geschichte.

Und in Frankreich?

Raspail: In Frankreich sind siebzig Prozent eindeutig gegen die Aufnahme von Einwanderern. 

Ist keine Bereicherung unserer Kultur in Aussicht?

Raspail: Ich kann derzeit nicht erkennen, inwiefern die islamische Kultur unsere bereichern kann, ganz zu schweigen von Afrika, das eine riesige Unordnung ist.

Die Zukunft ist vielleicht rosiger.

Raspail: Statistiken zufolge werden wir 2050 etwa neun Milliarden Erdbewohner sein. Das bedeutet einen Zuwachs von drei Milliarden Menschen in nur zwei Generationen! Afrikas Bevölkerung wird von einer Milliarde auf fast drei Milliarden ansteigen, von denen Millionen zu uns strömen, denn in Afrika waren sie noch nie in der Lage zu regieren und sind es auch jetzt nicht. Dort leben sie dauerhaft in der Revolution, der Erpressung, der Korruption und im erfüllten Chaos. Was können uns diese Länder also bringen? Nichts, wenn nicht Millionen und Abermillionen Menschen. Betrachten wir nun den nahen Orient, der zu Teilen auch Afrika und Vorderasien meint, so halten wir fest, daß es sich überwiegend um Moslems handelt. Deren Lebensweise, familiäre Umstände und Umgang mit ihren Frauen kann keiner dulden. Ich frage mich, wie die Frauen dies dort überhaupt aushalten. Ist es also das, was man uns schicken will? Das ist doch unmöglich! Die Regierungen denken nicht nach. Sie sind vielleicht gutherzig, keinesfalls aber intelligent.

Ein Grund mehr, den Menschen dort zu helfen!

Raspail: Sie sind es doch, die das Chaos verursachen. Sie sind auch sehr wohl in der Lage, sich um sich selbst zu kümmern. Die Afrikaner waren eine Weile unabhängig und sollten jetzt die Verantwortung dafür übernehmen. Wir sollten uns einige Zeit zurückziehen, weil die Afrikaner dann vielleicht die Lösung für ihr Problem finden. Im anderen Fall wird Europa wieder auf die Nase fallen, wie es schon beim Irak-Einsatz oder in Hinsicht auf Frankreich mit dem Libyen-Einsatz der Fall war. Man muß diesen Ländern ihre Selbstverantwortung einräumen und nicht uns damit belasten, denn wir sind für ihre Lage nicht verantwortlich. Es gibt doch viele intelligente Leute in den nahöstlichen und arabischen Ländern.

Worin liegt Ihrer Ansicht nach die Gefahr einer Masseneinwanderung?

Raspail: Die Menschen, ganz gleich aus welchen Gründen sie zu uns kommen, sind uns normalerweise fremd und haben eine ganz andere Lebensweise als unsere europäische. Es sind Menschen, die ihre eigene Sprache sprechen, in Gruppen kommen und ihre Lebensweise innerhalb unseres Landes oftmals beibehalten. Die Tatsache, daß sie es ablehnen, wahrhafte Franzosen oder Deutsche zu werden, wie es andere schon vor ihnen geworden sind, macht aus unseren Territorien ein Mosaik verschiedener Zivilisationen. Die Demographie wird jedoch zeigen, daß diese Gemeinschaften deutlich schneller wachsen als die unsrigen und es deshalb zu einer Veränderung kommt. Ein kultureller Wandel steht bevor. In dem Moment, in dem die Zugewanderten eine innere Macht sind, ist die Partie verloren! Selbst in demokratischer Hinsicht werden sie dann die Wahlen bestimmen und so nach und nach die Oberhand über uns erlangen. Diese Veränderung wird sich etwa 2050 vollzogen haben.

Im „Heerlager der Heiligen“ beschreiben  Sie eine Ihrer Figuren als einen „Neger mit einem weißen Herzen“. Was meinen Sie damit?

Raspail: Damals konnte man diesen Ausdruck noch benutzen. Heute würde man dafür vor Gericht kommen. Was ich aber gemeint habe: Schwarz oder weiß zu sein, das hat nichts mit der Hautfarbe zu tun.

Sondern? 

Raspail: Sondern, es ist eine Geisteshaltung. Deshalb kämpft dieser Neger zusammen mit anderen Franzosen im Widerstand gegen die Masseneinwanderung ums Überleben. Trotzdem bleibt der Versuch vergeblich, denn sie sind in der Unterzahl.

Führt Wohltätigkeit zum Untergang unserer Kultur?

Raspail: In der Tat, denn wir sind unfähig, unsere Kultur zu verteidigen. Es gibt eine Art falsche Wohltätigkeit, die den Gedanken der Selbstverteidigung aufhebt. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem die europäische und nicht zuletzt christliche Wohltätigkeit uns ins Verderben stürzt. Es liegt eine Form von Massenhysterie vor, ein mitfühlendes Delirium, das nicht rational ist. Dasselbe gab es schon im Fall Charlie Hebdo: Plötzlich wollten alle Charlie sein. Jetzt sind wir alle Einwanderer. Mitgefühl und Nächstenliebe sind zwar lobenswert, aber in Anbetracht der Situation als völlig unmöglich zu erachten.

Sind Wohltätigkeit und Hilfsbereitschaft keine noblen und konstruktiven Gesten?

Raspail: Doch, das sind sie. Wenn wir von ihnen allerdings nicht absehen, sind wir verloren. Manche schwelgen geradezu im Glück. So nobel ihre Einstellung auch sein mag, konstruktiv im Hinblick auf die Zukunft ist sie nicht. Es handelt sich vielmehr um das Gegenteil, nämlich die Zerstörung der Zukunft. Und vor allem die unserer Kinder. Indem wir all diese Menschen zu uns ins Land lassen, begehen wir an unseren Kindern ein Verbrechen, denn wir gestalten ihnen das Leben sehr schwer. Mit der Aufnahme der Einwanderer fördern wir die Multikultur. Es kann sein, daß daraus ein neuer Mensch, eine neue Zivilisation und eine andere Art des Denkens hervorgehen. Dies alles geschähe jedoch zum Verlust der 28 europäischen Länder mit ihren unterschiedlichen Sprachen, Kulturen, reichen Künsten, und zum Verlust der Lebensweise, wie wir sie hier gerne haben. Es ist auch möglich, daß unsere Enkel sich an die vorige Lebensweise gar nicht mehr erinnern, was einzig und allein wünschenswert wäre. Unsere Enkel werden vielleicht unter schlimmen Umständen leben, aber da sie womöglich vergessen haben, wie ihre Kultur einst war, werden sie mit der neuen vielleicht auskommen.

Unsere christlichen Wurzeln sind also Schnee von gestern?

Raspail: Unser Land ist nahezu entchristlicht. Allerdings: Die Menschen geben vor, keine Christen mehr zu sein, aber in ihrem tiefsten Innern sind sie es weiterhin. Als der Vorschlag gemacht wurde, nur christliche Einwanderer aufzunehmen, war dies die natürliche innere Reaktion eines Christen. Sie merkten, daß sie den christlichen Einwanderern näher sein würden als den Menschen, die einer anderen Religion angehören. Es gibt sozusagen eine Ähnlichkeit der Christen aus dem Orient und denen, die wir sind. 1.700 Jahre Christentum wohnen uns inne, und auch wenn sich die meisten nicht mehr dazu bekennen, ist ihnen der Kern davon erhalten blieben. Beispielsweise Ungarn, das sehr katholisch ist, zögerte nicht, seine Grenzen zu schließen.

Gibt es einen Ausweg?

Raspail: Ein Ausweg wäre, der Masse eine andere Masse gegenüberzustellen. Dies fordert allerdings einen unheimlich großen politischen Mut gegenüber den Humanitären, die ein reines Gewissen haben und nichts riskieren. Sie sind die ersten, die sich aus dem Staub machen. Sie leben ganz gut, haben keine Sorgen und sind auf ihre Gedanken sehr stolz.

Ist die Masseneinwanderung noch zu stoppen?

Raspail: Nein, ich denke nicht. Nur wenn es unter den europäischen Staaten einen „Verräter“ gäbe, der wagen würde, von der derzeitigen Politik abzuweichen, wäre es möglich. In manchen Fällen könnte man die Einwanderer zurückschicken, doch wird behauptet, eine derartig große Zahl – das wäre nicht möglich. Wir wissen aber, daß es nach dem Zweiten Weltkrieg riesige Transfers von Polen und Deutschen gab. Mit der Grenzveränderung wurden Millionen von Menschen transferiert und oftmals unter Bedingungen, die nicht immer gut waren. In der Vergangenheit hat Frankreich bereits eine Million Algerier aufgenommen, ein Beweis dafür, daß der Transfer einer Masse sehr wohl möglich ist. Man muß sich nur dazu entschließen.

Anstelle von Grenzen lieber Mauern?

Raspail: Ich denke nicht, daß wir uns gegenüber allen für immer verschließen würden, aber es wäre wichtig, militärische oder polizeiliche Kräfte zu haben. Man müßte Europäer von Außereuropäern trennen und anhand eines Reisepasses entscheiden, ob die Person ins Land darf oder nicht. Das ist nicht schwer. Das schwere und schreckliche Problem liegt vielmehr darin, daß Menschenmassen ankommen. In meinem Roman richtet sich der Präsident nach der Ankunft einer Million Einwanderer an die Bevölkerung. Er ändert am Ende der Rede seine Ansicht, weil er alles begriffen hat. Man muß unnachgiebig sein!

In Ihrem Buch heißt es, daß jene Sieger sein werden, die sich am meisten lieben.

Raspail: Zwischen Stolz auf das, was man ist, und Stolz im Hinblick auf sein eigenes Land sind viele Menschen, ohne es zu wissen, nur noch aufgrund des Papieres mit ihrem Land verbunden. Die Mehrheit hat die Liebe für ihr Vaterland vollständig verloren. Man gibt den Menschen keine Möglichkeit mehr, ihr Land zu lieben, man lehrt sie ihre Geschichte nicht mehr. Wenn sie ihr Land nicht mehr lieben – damit ist eine sinnliche Liebe gemeint –, werden sie es auch nicht verteidigen.

Woher stammt unser gegen uns selbst gerichteter Haß?

Raspail: Ich weiß es nicht. Sämtliche Soziologen haben bei den Menschen den Willen zur Selbstzerstörung festgestellt. Vielleicht stammt der Haß aus dem Gefühl, tief gesunken zu sein.

Ist es ratsam, in dieser Situation noch Kinder zu bekommen?

Raspail: Der Schriftsteller Ernst Jünger besaß eine ökologische Auffassung von den Dingen und hat dieselbe Frage gestellt. Wir können auf dieselbe Weise antworten. Es gilt doch als eine der Hauptaufgaben des Menschen, sich zu reproduzieren. Keine Kinder mehr zu bekommen, ist in gewisser Weise ein Egoismus im Hinblick auf die Zukunft der Menschheit. Es bedeutet schließlich die Auslöschung. Keine Kinder mehr zu bekommen, meint keine Hoffnung mehr zu haben und schließlich die Hoffnung aufzugeben.

Glauben Sie denn, daß die Hoffnung innerhalb der europäischen Völker noch vorhanden ist?

Raspail: Hoffnung ist imaginär. Das hindert uns jedoch nicht daran, sie zu hegen. Der holländische Freiheitskämpfer Wilhelm von Nassau-Dillenburg sagte einmal: „Um etwas zu unternehmen, muß man weder hoffen, noch muß man Erfolg haben, um durchzuhalten.“ Ich glaube, daß, solange der demographische Wandel noch nicht vollzogen ist, die einzige Verteidigung im Grunde genommen darin besteht, Kinder zu bekommen. Ich verlange ja nicht, daß man zwölf Kinder hat, aber mindestens zwei oder drei.

Was raten Sie Ihren Lesern?

Raspail: Es wäre der letzte Satz des Buches: „Der Sturz von Konstantinopel ist ein persönliches Unglück, das uns letzte Woche wiederfahren ist!“ Konstantinopel fiel 1453, und tatsächlich empfinden viele Griechen weiterhin eine innere Leere. Träfe der Fall auf uns zu, so sagten wir: „Der Sturz von Europa ist ein persönliches Unglück, das uns letzte Woche wiederfahren ist!“ Es ist eine Sache, von der wir uns nicht losreißen können. Darum haben wir den Eindruck, es sei erst letzte Woche geschehen, auch wenn es vielleicht schon 400 Jahre zurückliegt.






Jean Raspail, wurde 1925 in der Nähe von Tours geboren. Er studierte als Forschungsreisender die Naturvölker Amerikas und setzte sich für die Rechte der Indianer ein. 1973 erschien seine Romanvision „Das Heerlager der Heiligen“, die nun im Verlag Antaios erstmals ungekürzt und in neuer Übersetzung erschienen ist. Der Schriftsteller verfaßte rund dreißig Romane und Essays, von denen auch „Sire“, „Sieben Reiter“ und „Der letzte Franzose“ auf deutsch erschienen sind. Raspail erhielt etliche Auszeichnungen, darunter den Literaturpreis der Stadt Paris und den Großen Literaturpreis der Académie française.

Foto: Visionär und Schriftsteller Raspail: „Wir sind unfähig, unsere Kultur zu verteidigen (...) Wir sind an dem Punkt angelangt, an dem uns unsere eigene Wohltätigkeit ins Verderben stürzt.“

 

 

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