© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

Hamed Abdel-Samad. Der bekannte Islamkritiker ist auch ein deutscher Systemkritiker
Der Dissident
Michael Paulwitz

Dissidenten haben’s schwer, Dissidenten mit „Migrationshintergrund“ nicht ganz so sehr. Hamed Abdel-Samad nutzt das, um seine Botschaft zu verbreiten: Der Islam brauche keine „Reform“, keinen Luther, sondern eine Brechung, einen Voltaire, um seine immanenten Übel zu überwinden.

Der Publizist fordert den bundesdeutschen Kuschelkonsens heraus, der den Islam gerne für unschuldig erklärt und alles Böse den „Islamisten“ zuschiebt. Abdel-Samad sieht dagegen eine „gefährliche Arbeitsteilung“ zwischen Fundamentalisten, Islamwissenschaftlern, die das bedrohliche Potential des Islam relativierten, und liberalen Muslimen, die mit obengenanntem Kniff von diesem Potential ablenkten – alle betrieben sie letztlich dasselbe Geschäft. Der IS-Terror habe nichts mit dem Islam zu tun? Von wegen: Vielmehr sei dieser ein „legitimes Kind des Islam“, da seine Terroristen nichts tun, was nicht auch der Prophet getan hat, hält er in seinem soeben erschienenen Buch „Mohamed. Eine Abrechnung“ dagegen.

Abel-Samad weiß, wovon er redet: Der 1972 bei Kairo geborene Sohn eines frommen ägyptischen Imams ist schlicht koranfester als die sonst herumgereichten blauäugigen Islamversteher und berechnenden Islamverharmloser. Mit 23 kam der polyglotte Student nach Deutschland, stürzte sich auf die Politikwissenschaft, wurde Universitätsdozent, zeitweise Mitglied der deutschen Islamkonferenz und gewann Bekanntheit als islamkritischer Bestsellerautor und nachdenklicher Begleiter in Henryk M. Broders ARD-Mini-serie „Deutschland-Safari“. Eine Attacke auf den „islamischen Faschismus“ trug ihm eine Todes-Fatwa ein, die ihn seit zwei Jahren zwingt, unter Polizeischutz an wechselnden Orten zu leben.

Den einfacheren Karriereweg des Beschwichtigers, der der Kanzlerin einredet, daß der Islam zu Deutschland gehöre, weist Abdel-Samad zurück, denn er „nehme die Freiheit sehr ernst“. Ohne Berührungsängste geht er auf Vortragstour bei der AfD, und den Geßlerhut des „Kampfes gegen Rechts“ grüßt er auch nicht: Von Journalisten zur Distanzierung vom „Beifall von der falschen Seite“ ermuntert, erklärt er ungerührt, er verstehe schon, daß diese die „Rechten“ meinten, aber die falsche Seite sei die, die ihn umbringen wolle – der Islam sei das Problem, der Rest banal. 

Abdel-Samad bestätigt, wofür andere als „Islamhasser“ ausgegrenzt und mit Verfahren wegen Volksverhetzung überzogen werden. Dennoch gehört er zu den akzeptierten Dissidenten, mit denen man spricht. Seine Hautfarbe schütze ihn wohl vor „Rassismus“-Vorwürfen, räumt er freimütig ein, deswegen könne er mit Thesen durchkommen, für die ein Sarrazin „gekreuzigt“ würde. Noch jedenfalls. So mancher, wie unlängst Spiegel Online, würde ihn am liebsten zusammen mit Pegida und PI-News auf den Scheiterhaufen stellen. Taliban gibt es eben nicht nur bei den Verehrern des Propheten.