© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

Rechtsbürgerliche Stärkung gewünscht
Parlamentswahl Schweiz: Nur SVP und FDP können mit Zugewinnen rechnen / Monothema Ausländer
Frank Liebermann

Im Zuge der Vorstellung des letzten Wahlbarometers vor den Wahlen ließ das Forschungsinstitut gfs.bern die Katze aus dem Sack: „Noch nie“ seien   die Erwartungen an einen Wahlkampf in den vergangenen 20 Jahren derart „monothematisch“ gewesen wie dieses Mal. Die Zahlen sprechen für sich. 

Als drängendstes Problem empfinden die Wahlwilligen die Migrationsthematik. Mit 46 Prozent liegen die Fragen „Migration, Ausländer, Integration, Asyl und Flüchtlinge“, mit großem Abstand vor den Problemfeldern der bilateralen Verträge mit der EU (sieben Prozent), der Arbeitslosigkeit sowie vor Umweltfragen mit jeweils fünf Prozent.

 Zeichen gegen Zuwanderung setzen 

Zwar leidet die Schweiz weniger unter anstürmenden Menschenmassen als Deutschland oder Österreich, aber auch hier gibt es viele Probleme. Abschiebungen sind nicht nur teuer, langsam und oft nicht durchsetzbar, eine Asyllobby versucht auch mit allen Mitteln diese zu verhindern. Das spielt der Schweizerischen Volkspartei (SVP) in die Hände, die mit ihrer gewonnenen Initiative zur Abschiebung von kriminellen Ausländern und einer Begrenzung der Zuwanderung als kompetenteste Partei in diesem Themenfeld wahrgenommen wird. 

Entsprechend offensiv betreibt sie den Wahlkampf und garantiert, daß sie die Zuwanderung begrenzen, Mißbräuche im Asylwesen beseitigen, kriminelle Ausländer ausschaffen und den Anschluß an die EU verhindern wolle.

„Die anderen Parteien und auch die Medien können das Asylproblem noch so herunterreden, es existiert“, erklärt  Toni Brunner. Allein die SVP wolle, daß die „Schweiz Schweiz bleibe“. Die anderen Parteien hätten die „Schweiz aufgegeben“, kritisiert der SVP-Vorsitzende. Auch SVP-Urgestein Christoph Blocher sprach sich in der Weltwoche gegen die „Masseneinwanderung“ aus. Sie sei schädlich und senke die Produktivität. 100.000 Fremde pro Jahr anzusiedeln – das könne die Schweiz „nicht verkraften“. SVP-Nationalrat Adrian Amstutz sekundiert: „Setze ein Zeichen gegen Zuwanderung – Jetzt SVP wählen!“ 

Dem letzten Wahlbarometer des gfs.bern vor der Wahl am 18. Oktober zufolge kann die SVP mit 27,9 Prozent rechnen. Ein Zuwachs von 1,3 Prozentpunkten gegenüber der Wahl 2011.

Leicht zugewinnen wird voraussichtlich auch die freisinnig-liberale FDP, die 2011 mit 15,1 Prozen Platz drei belegte. Sie punktet vor allem mit ihrer Wirtschaftskompetenz, die auf einen konsequenten Liberalismus setzt. Zu Jahresbeginn rüttelte die Aussetzung des festen Wechselkurses die Schweizer Unternehmen heftig durch. Mittels Einsatz für längere Arbeitszeiten, Lohnzurückhaltung und Entlastungen der Unternehmen konnte sich der Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann profilieren, der selbst auch erfolgreicher Unternehmer im Maschinenbau ist. 

Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) dürfte deutlich an Wählern verlieren, da sie außer bei ihrem katholischen Stammklientel bei keinem Thema nennenswerte Impulse setzt. Ihr Einsatz für die staatliche Finanzierung von Abtreibungen entspricht zwar dem Zeitgeist, verärgert aber die katholischen Hardliner, was zu Verlusten führen dürfte. Auch sonst kann die Partei mit ihrer Unterstützung von linken Positionen in den Themen Mindestlohn und Pauschalbesteuerung von Ausländern nicht punkten, da diese Themen bereits durch SP und die grünen Parteien besetzt sind.Die Wahlforscher sehen die CVP bei 11,5 Prozent (2011: 12,3 Prozent) 

Auf der linken Seite stehen kleinere Verluste an. Noch relativ stabil sind die  Sozialdemokraten (SP), die sich mit prognostizierten19,3 Prozent auf dem Niveau der 2011-Wahl bewegen. Verluste dürften die zwei grünen Parteien erwarten. Deren Position, daß es „ein Menschenrecht ist, sich überall niederzulassen“, dürfte kaum verfangen.

SVP-Abspaltung BDP auf absteigendem Ast  

Kaum anders wird es der Grünliberalen Partei (GLP) ergehen. Diese versucht eine liberale Wirtschaftspolitik mit der Umwelt in Einklang zu bringen. Nach einem steilen Start in den vergangenen Jahren zeigt sich aber immer mehr, daß es der Partei nicht gelingt, beide Themen glaubwürdig unter einen Hut zu bringen. Mittlerweile genießt sie den Ruf, Linken, Liberalen und Konservativen jeweils alles zu versprechen, ohne etwas halten zu können. Negativ wirkt sich vor allem die Energiepolitik aus. Der anfänglich bejubelte Ausstieg aus der Atomkraft führt zu steigenden Energiepreisen, was stark den grünen Parteien angelastet wird.

Der letzte große Verlierer dürfte die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) sein. Sie lebt von ihrer einzigen Bundesrätin, Eveline Widmer-Schlumpf, die durch ihre Abspaltung von der SVP im Jahr 2008 ebenfalls anfängliche Erfolge erzielen konnte, es aber nicht schaffte, eine breite Mannschaft in der Öffentlichkeit bekanntzumachen. 

Sollte das Wahlergebnis wie prognostiziert ausfallen, wird die SVP mit noch mehr Vehemenz als bisher nach einem zweiten Sitz im Bundesrat greifen. Dieser blieb ihr im siebenköpfigen Gremium seit der Wahl 2007 verwehrt, obwohl sie die stärkste Partei im Parlament darstellt. Auch bei der Wahl 2011 konnte die SVP ihren zweiten Kandidaten gegen das Kartell der anderen Parteien nicht durchsetzen. Vor dem Gang in die Opposition scheute die Partei allerdings zurück, obwohl sie dieses Szenario immer wieder andeutete. 

Die Parteien links der Mitte haben Schwierigkeiten, zur Bevölkerung durchzudringen. Der Wunsch, die Wirtschafts- und Flüchtlingsprobleme durch eine stärkere Annäherung an die EU zu lösen, findet keinen großen Anklang. Für Verärgerung sorgt auch die Blockade der Umsetzung der Initiative zur Masseneinwanderung. Gesetzliche Maßnahmen, die den Volkswillen umsetzen, wurden bisher verschleppt. 

Teile der Mitte und Linken hoffen, nach den Wahlen unter Umständen eine zweite Abstimmung durchführen zu können. Das stößt selbst bei Gegnern der Initiative nicht nur auf Gegenliebe, sehen sie doch die direkte Demokratie in Gefahr, was die Wahlchancen nicht verbessern dürfte. Entsprechend prophezeit gfs.bern der Grünen Partei der Schweiz (GPS) mit 7,2 Prozent (2011: 8,4) Verluste. Die Grünliberalen (GLP) kämen auf 5 Prozent und die BDP auf 4,6 Prozent Stimmenanteil.

Die Wahlforscher machen keinen Hehl daraus, daß bei der kommenden Wahl der „neue Trend“ darin bestehe, daß die „größeren Parteien stimmenmäßig eher gestärkt, die kleineren eher geschwächt“ würden. Angesichts „diverser Unsicherheiten“ sei heute eine „Neuordnung der Politik bei etablierten und starken Parteien“ gefragt. Vor allem aber komme im Wählerwillen zum Ausdruck, daß eine „Stärkung des rechtsbürgerlichen Elementes“ gewünscht werde.