© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

Gesinnungserziehung
Klotzige Volkspädagogik: „Er ist wieder da“ läuft nun auch in den Kinos
Sebastian Hennig

Das geistreiche Buch „Er ist wieder da“ von Timur Vermes nährte die Hoffnung einer Art homöopathischen Therapie des Hitlerfiebers in Deutschland. Nach Jahrzehnten läßt der Autor den Diktator inmitten von Berlin auferstehen und darüber staunen, wie sehr Medien und Politik ihn beerbt haben. Ganz geschmeidig wird er von deren Geflecht übernommen und sucht es seinerseits zu übernehmen.

Das Buch ist eine geradlinige Posse, die dem aufmerksamen und wachen Leser viel zu denken gibt. Bis zum August sind zwei Millionen Exemplare der deutschen Ausgabe über den Ladentisch gegangen. Christoph Maria Herbst hat das Hörbuch eingesprochen. Jetzt gibt es auch einen Film. Aber der ist genaugenommen keine Verfilmung, da er nur an einige Motive des Buches anknüpft.

Wo die Grundidee übernommen und um visuelle Möglichkeiten erweitert wird, sieht es zunächst überzeugend aus. Bei Hitlers erstem Stadtgang schneidet ihm ein touristischer Blitzkrieg der Segway-Piloten den Weg ab. Für dergleichen selbstredende Bilder sind Filmszenen das adäquate Mittel. Die Slapstick-Effekte des Wiedergängers werden inszeniert und verlängert in die heutige Wirklichkeit.

Hitler (Oliver Masucci) erwacht entsprechend drei Jahre später als im Buch, nämlich im Pegida-Jahr 2014. Daran ist an sich nichts zu tadeln. Aber als unaufrichtig bis hetzerisch entpuppen sich im Verlauf zwei Ansätze, die dabei verfolgt werden. Der eine versteckt sich hinter dem Buch, wo „Er“ durchaus als ein poetischer, nachdenklicher und feiner Charismatiker gezeichnet wird. Darin folgt Vermes den Memoiren von Traudl Junge, die schon dem Film „Der Untergang“ zugrunde gelegt wurden. Jede Epoche benötigt ihren Hitler. Das Klischee vom Teppichbeißer und Tobsüchtigen taucht noch einmal auf, als Christoph Sensenbrink (Christoph Maria Herbst) seine Legionen beim Fernsehsender verliert. Da agiert er hinter verschlossener Tür ebenso cholerisch wie die früheren Filmhitler. 

Wenn Regisseur Daniel Wnendt seinen Hauptdarsteller mit durchschaubaren Provokationen auf wirkliche Personen losschickt, dann bekommt die Idee des Buches sozusagen automatisch eine Brechung ins Denunziatorische. Menschen, die einerseits seit der Schule an zum ständigen Nachdenken über Hitler angehalten werden, bekommen hier plötzlich an Stelle des unerklärlichen Monsters einen recht sympathischen Herren gegenübergestellt. Wie ein Geheimdienstspitzel, der das Gespräch auf die sensiblen Themen lenkt, gibt Masucci die Stichworte. Der Regisseur und seine rechtgläubigen Zuschauer können sich nun empören darüber, daß die Menschen sich nicht empören, sondern auf die lauernden Fragen des scheu-forschen Männleins überwiegend redselig reagieren.

Hinzu kommt die leichtfertige Verknüpfung von dokumentarischem Material mit gestellten Szenen. In einem künstlerischen Film kann so etwas reizvoll sein. Ein Film jedoch, der das Denken seiner Zuschauer in die richtige Richtung lenken möchte, erweist seinem Anliegen mit dieser offenbaren Bevormundung einen Bärendienst. Besonders kraß tritt das in der Szene hervor, in der das Filmteam die NPD-Zentrale in Berlin-Köpenick zu stürmen scheint und dort ein fiktiver Ulf Birne vom Führer persönlich heruntergeputzt wird. Genau das gleiche ist im Buch etwas völlig anderes. So sehr es an sich den Tatsachen entsprechen mag, so schief ist diese Szene hier geraten.  

Denn drum herum kitzelt ein Profi-Schauspieler aus einfachen Leuten die Bekenntnisse heraus, die sein Regisseur braucht. An der Schulter des schwadronierenden Bayreuther AfD-Abgeordneten Thomas Peterka schläft der Masucci-Hitler ein. Einmal wird die Filmcrew bei dieser Taktik sogar zum betrogenen Betrüger. Der Münchner Stadtrat Karl Richter, der damals noch stellvertretender Parteivorstand der NPD war, führt ein nettes Gespräch mit „Ihm“. Aber auch er spielt dabei seine Rolle, über die er sein Gegenüber im unklaren läßt. Richter hat Hitler bereits vor Jahren in „Der Untergang“ gegenübergestanden. Damals war dieser in Bruno Ganz inkarniert und hat Richter die Hand geschüttelt, der den Adjutanten des Generalfeldmarschall Keitel präsentierte. 

Eine subtilere Verfilmung von „Er ist wieder da“ hätte das heitere Satyrspiel zu den tiefen Tragödien wie „Phönix“ und „Wolfskinder“ werden können. So läßt der Film seine Zuschauer mit der Frage zurück: Wer ist eigentlich wieder da? Nicht „Der Führer“ ist wiedergekehrt, sondern eine klotzige Volkspädagogik, die sich seiner Person als eines Holzhammers bedient. Die Mittel, mit denen der grobe Effekt erzeugt wurde, sind gleichwohl fein austariert.

Entstanden ist ein bösartiger und feiger Film mit einigen schönen Effekten und schauspielerischen Glanzleistungen. Katja Riemann als Katja Bellini zeigt, daß unter den Machtmarionetten die kalten Frauen einen herausragenden Platz eingenommen haben. Vom Treiben der Medien, ihrem Propaganda-Pragmatismus droht der freien Gesellschaft mehr Gefahr als von einem wiedererstandenen Hitler. Wir steigen nicht zweimal in den selben Fluß. Und die bedrohliche Botschaft des Buches bleibt, daß Hitler in der bestehenden Funktionalität des Apparates längst überflüssig ist.