© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

„Die Freiheit stirbt scheibchenweise“
Anlegerblatt „Börsen-Zeitung“ von Roland Tichy mit dem Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik ausgezeichnet
Christian Dorn

Roland Tichy überraschte kürzlich seine Gesprächspartner und die Zuschauer im ARD-Presseclub: „Flüchtlinge sind keine DHL-Pakete, die man beim Nachbarn abgeben kann.“ Der Ex-Chef der Wirtschaftswoche, der neuerdings für das soziale Netzwerk Xing arbeitet, redet auch sonst gerne Klartext. So bei der Verleihung des Preises für Wirtschaftspublizistik der Ludwig-Erhard-Stiftung, deren Vorsitzender er ist. 

Heute, warnte Tichy, gehe die Freiheit „stückchenweise verloren“. Selbst wohlmeinenden Beteiligten sei das nicht klar – „wie beim einzelnen Puzzle-Teil“, das auch nicht wisse, was am Ende entstehe.

Der Preis ging an Claus Döring, den Chefredakteur der Börsen-Zeitung, der mit seiner Arbeit dafür sorge, „daß die ordnungspolitische Debatte hierzulande ihr Niveau nicht verliert“, wie es Laudator Rainer Hank, Wirtschaftsressort-Chef der FAZ, begründete. „Immer, wenn man es ganz genau wissen will, muß man in die Börsen-Zeitung schauen“, betonte Hank. Als wollte der Gewürdigte sich erst beweisen, geriet dessen Dankes- zur eigentlichen Preisrede, in der Döring detailliert den aktuellen VW-Skandal analysierte, als dessen Auslöser er das VW-Gesetz sieht.

Eine Überraschung war Nicola Leibinger-Kammüller als zweite Preisträgerin neben Döring, ist sie doch Geschäftsführerin des familiengeführten Maschinenbauunternehmens Trumpf. Geehrt wurde sie für ihre Vorbildrolle in der „sozialen“ Marktwirtschaft. Während der Wirtschaftskrise, in der die Aufträge um die Hälfte einbrachen, entließ sie keinen einzigen der 11.000 Mitarbeiter, verpflichtete diese aber zu Fortbildungen, teils unter Einsatz eigenen Vermögens. Eine bessere „Vermögensabgabe“ ist wohl kaum denkbar.