© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

Wenn einer seine Berufung findet
Elefanten, Pferde, Fabelwesen und deutsche Geschichte: Der Künstler Sascha Lunyakov arbeitet lieber mit Zeichenstift als Skalpell
Hinrich Rohbohm

Das Nashorn sieht aus, als stecke es in einer gelbgestrichenen Wand fest. Kopf und ein Vorderbein des Tieres scheinen schon durch das Gemäuer durchgebrochen zu sein, der hintere Körper wirkt, als sitze er noch fest. „Ja, das hat schon etwas Surrealistisches“, interpretiert Sascha Lun-yakov, dessen Werke im Rahmen einer Dauerausstellung in einem Leipziger Hotel zu bestaunen sind. Der 41 Jahre alte Künstler liebt es, Tiere in ungewöhnliche Situationen zu versetzen. Das Nashorn ist eines seiner Lieblingswesen. Aber auch Pferde, Elefanten und den dreiköpfigen Zerberus malt der 1998 aus dem ukrainischen Charkow nach Deutschland zugewanderte Russe gern. Kein Wunder also, daß auch diese Tiere zu den Ausstellungsmotiven zählen.

„Das kommt von meiner Neigung zu Märchen, Fantasy und Mythologie“, erklärt der Vater von zwei kleinen Kindern, der in Deutschland seine Liebe zur Malerei durch einen Zufall wiederentdeckt hatte. „Freunde von mir sahen meine Bilder und baten mich, Zeichnungen für eine von ihnen geplante Fantasy-Geschichte anzufertigen.“ Es ist der Start für Lunyakovs Künstlerkarriere. Seit fünf Jahren arbeitet er mit dem Berliner Verlag Preußisches Bücherkabinett zusammen. „Die machen kleine Bücher zu bestimmten Geschichtsereignissen“, erzählt Lunyakov, der die Texte mit seinen Zeichnungen bereichert.

Auch für das soeben erschienene Buch „Deutsche Geschichte für junge Leser“ von Karlheinz Weißmann fertigte Lunyakov die Zeichnungen an. Einen zu großen Spagat zu den sonst von ihm illustrierten Fantasy-Erzählungen sieht er nicht. „Da sind doch auch Ritter mit Pferden drin.“ Gerade das Mittelalter beflügele seine Phantasie, die er schon als kleiner Junge reichlich gehabt habe.

Mit einem kleinen Zeichenheft fing alles an

„Ich konnte früher malen als schreiben. Zwar war ich kein Wunderkind, aber meine Mutter hat immer genau aufgepaßt, wofür ich mich interessiere“, verrät Lunyakov, der als Kind seine ersten Werke in einem „kleinen Heftchen“ anfertigte. Als seine Mutter das sah, fragte sie ihn, ob er eine Zeichenschule besuchen wolle. Lunyakov wollte. Da war er „sechs oder sieben Jahre“ alt. Zweimal die Woche ging er zum Unterricht. „Dienstags und donnerstags, das weiß ich noch heute“, sagt er, und seine Augen beginnen zu leuchten, wenn er davon spricht. Davon, wie die Lehrerin Märchen vorlas, um die Schüler beim Zeichnen zu inspirieren, und sie hinterher nach ihren Visionen befragte. 1987 gewann er einen Allunionswettbewerb für Kinderzeichnen; der Preis, ein vierwöchiger Aufenthalt im Pionierlager „Molodaja Gwardija“, nahe der Hafenstadt Odessa, schien ihm „der Gipfel der Auszeichnung meines Schaffens“.

Dennoch sollte Lunyakov zunächst nicht den Weg eines Künstlers einschlagen. „Ich wollte Zoologe werden, aber ich war da wohl ein wenig zu romantisch.“ Er hatte an die exotischen Tiere Afrikas gedacht, die ihn so inspirierten. Doch eine Lehrerin nahm ihm seine Kinderphantasien, erklärte ihm nüchtern, daß er da entweder als Lehrer oder irgendwo in der Tundra arbeiten würde. „Lehrer werden wollte ich nicht, und in die Tundra wollte ich erst recht nicht.“ Werde doch Tierarzt, hatte die Pädagogin ihm geraten. So begann er 1992 ein Studium der Veterinärmedizin. 1997 erwarb er sein Diplom, ehe er ein Jahr später über Polen nach Chemnitz ausreiste. Er begann zu promovieren. „Aber ich merkte, Tiere aufschneiden, das war nicht meine Sache. In der Ukraine war ich ja nur beratend tätig, da mußte ich glücklicherweise nicht selbst Hand anlegen.“

Statt Skalpell nimmt er heute um so freudiger seine Zeichenstifte zur Hand. Mit Erfolg. Neben der Dauerausstellung in Leipzig sind seine Werke auch in einem Hotel der nordrhein-westfälischen Stadt Rees nahe der holländischen Grenze zu sehen. Und auch für die Zukunft existieren schon Pläne, die Lunyakov aber noch nicht verraten will. Nur soviel sagt er jetzt schon: „Es wird eine Fantasy-Geschichte mit tollen Illustrationen.“

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