© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

Knapp daneben
Eine Barbie mit pädagogischem Potential
Karl Heinzen

Barbie und Ken, so weiß der von ihrem Hersteller Mattel ersonnene Mythos zu berichten, lernten sich 1961 am Set für einen Werbefilm kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Für Generationen von jungen Mädchen galten sie fortan als das Traumpaar schlechthin. Doch das Idyll sollte nicht ewig währen. Der australische Surfer Blaine brach 2004 erfolgreich in ihre Beziehung ein. Der Reiz des Neuen verflüchtigte sich aber rasch. Blaine wirkte zwar leger und sportlich, vor allem aber war er dummgeil und farblos. So ein Langweiler konnte nicht einmal eine Puppe auf Dauer fesseln. Mattel ließ Ken den Kampf mit dem Rivalen aufs neue aufnehmen. Zum Valentinstag 2011 kehrte er an die Seite von Barbie zurück. Der romantische Coup zahlte sich aber nicht aus. Die Umsätze mit dem einstigen Verkaufsschlager schrumpften.

Steigt sie zu Ken ins Auto, könnte sie ihm deutlich machen, daß Verhütung heute auch Männersache ist.

Eine interaktive Barbie, die im November in den USA auf den Markt kommt, soll nun die Wende bringen. Ihr Sprachassistent hört zu und gibt die passende Antwort aus 8.000 gespeicherten Dialogsätzen. Verbindet man sie mit dem Internet, ist das über einen Server abrufbare Repertoire geradezu unerschöpflich. Werden die neuen Möglichkeiten verantwortungsvoll genutzt, könnte die traditionelle Kritik an Barbie, ein antiquiertes Frauenbild zu konservieren, zum Verstummen kommen. 

Bislang waren die jungen Mädchen beim Spiel mit den Puppen sich selbst überlassen, und sie mißbrauchten die Freiheit, um aufgeschnappte Geschlechterrollen unhinterfragt einzuüben. Kamen sie in die Pubertät, waren die verfestigten Verhaltensmuster kaum noch zu beeinflussen. Die neue Barbie hingegen könnte hier in einem frühen Stadium korrigierend eingreifen. Ziehen die Mädchen sie an oder aus, wäre sie imstande, darauf hinzuweisen, daß sich der weibliche Lebensentwurf nicht darauf beschränken darf, schick auszusehen. Steigt sie zu Ken ins Auto, könnte sie ihm deutlich machen, daß sie echte Partnerschaft erwartet und Verhütung heute auch Männersache ist. Es ist allerdings nicht auszuschließen, daß er unter dieser neuen Voraussetzung seine Entscheidung, zu ihr zurückzukehren, wieder in Frage stellt.