© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/15 / 23. Oktober 2015

Die Schweiz rückt nach rechts
Parlamentswahl: SVP als strahlender Wahlsieger / Grüne erleben ihren Super-GAU
Frank Liebermann

Die rechten Parteien sind die Wahlsieger. Auf diesen Nenner lassen sich kurz zusammengefaßt die Wahlergebnisse zum 200köpfigen Schweizer Nationalrat bringen. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die Freie Demokratische Partei (FDP) konnten deutlich zulegen. Wobei sich ein großer Sieger herauskristallisierte, die SVP.  Sie gewann knapp drei Prozentpunkte hinzu und verbesserte sich um elf Sitze. Der rechte Block aus SVP und FDP (plus 3 Sitze) wird größer, der linke Block mit einer Sozialdemokratischen Partei (SP) (minus drei Sitze) und den Grünen (minus 4 Sitze) verliert, genauso wie die Mitte aus CVP, BDP (beide unveränderte Sitzzahl) und die Grünliberalen (GLP) (minus 5 Sitze). Vor allem die Grünen und die GLP haben mit ihrer Wohlfühlpolitik und Willkommenskultur nach deutschem Vorbild verloren. „Die Deutschen haben den Verstand verloren“, titelte selbst die größte und eher linke Boulevardzeitung Blick zum Thema.

SVP besteht auf zwei Ministerposten

Toni Brunner, Präsident der SVP, erklärte den Erfolg seiner Partei mit der falschen Zuwanderungs- und Asylpolitik der Regierung. Zukünftig möchte er, daß stärker zwischen „Wirtschaftsmigranten, Flüchtlingen und Asylanten unterschieden wird“. Dort seien noch immer die Volksabstimmungen nicht umgesetzt, wofür er sich jetzt noch stärker einsetzen möchte. Neben der Wahrung der Unabhängigkeit und Selbstbestimmung gehe es auch darum, zu verhindern, daß die Schweiz über ein Rahmenabkommen zwingend EU-Recht übernehmen muß und fremden Richtern unterstellt wird. 

„Stimmenkönig“ ist der Chef der Weltwoche Roger Köppel (JF 42/15), der schon als Quotenkonservativer in diversen Talkshows Auftritte hatte und für die SVP antrat. Er erreichte in Zürich mit 178.090 Stimmen, gefolgt von Natalie Rickli (167.185 Stimmen) das schweizweit beste Stimmenergebnis von allen Kandidaten und erzielte die höchste jemals notierte Stimmenanzahl. 

Mit der Halbierung der Sitze haben vor allem die Grünliberalen ihr Fuku-shima erlebt. Waren sie vor vier Jahren noch Profiteure des Unfalls, erlebt die Partei jetzt ihren Super-GAU. Die Konsequenzen der Energiewende – die Schweiz beschloß nach Fukushima den Ausstieg aus der Atomenergie – zeigen sich nun in Form höherer Strompreise, was sich auch auf die Wähler auswirkte. GLP Chef Martin Bäumler erklärte das Scheitern seiner Partei daher auch mit der politischen Großwetterlage, die momentan nicht sehr ökologisch geprägt sei.

Interessant ist vor dem Hintergrund der Ergebnisse, wie es um die Konkordanzdemokratie bestellt ist. Die Schweizer Verfassung legt fest, daß der Bundesrat ein Kollegium darstellt, welches gemeinsam die Interessen des Volkes vertreten soll. Es gibt auch keinen Regierungschef, sondern nur einen jährlichen Wechsel des Vorsitzenden, der eher koordinierende und repräsentative Aufgaben wahrnimmt. Die Zusammensetzung der Regierung soll die Wahlergebnisse widerspiegeln. Lange war es eine Regel, daß die drei größten Parteien zwei Sitze bekommen, die viertgrößte Partei einen.

Die siebenköpfige Regierung setzt sich zur Zeit aus zwei SP-Vertretern und zwei der FDP zusammen. SVP, CVP und BDP haben jeweils einen Vertreter. Bisher konnte die linke Mehrheit verhindern, daß die stärkste politische Kraft SVP zwei Ministerposten erhielt. 

Brunner kündigte nun erneut an, daß seine Partei neben Bundesrat Ueli Maurer, der sich für eine weitere Legislaturperiode zur Verfügung stellt, auf zwei Kandidaten bestehe. Sollte die SVP bei der Bundesratswahl am 9. Dezember wieder nur mit einem Kandidaten durchkommen, könnte es geschehen, daß die Partei in die Totalopposition geht. Ihre Interessen könnte sie problemlos mit Volksabstimmungen durchsetzen. Dies wäre ein Novum für die Schweiz und das Ende der Konkordanz. 

Zünglein an der Waage könnten diesmal die Sonstigen sein. Von denen erreichten die konservativ-liberale Evangelische Volkspartei (EVP) sowie die regionalistische, zuwanderungskritische Lega je zwei, die ebenfalls regional-migrationskritische Bürgerbewegung Mouvement citoyens romands (MCR) und die sozialistische Partei der Arbeit (PdA) je einen Sitz.