© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/15 / 23. Oktober 2015

Ein Hamster in der Großstadt
Kino III: „Rettet Raffi“ ist ein ebenso heiterer wie emotionaler Kinder- und Familienfilm
Annika Barthel

Ein Hamster läuft flink am Hafen-ufer entlang, bleibt kurz stehen, schnüffelt. Da kommt eine Katze um die Ecke, sie erspäht ihn sofort. Der Hamster rettet sich in eine Dose, er scheint in Sicherheit. Doch die Katze stupst die Dose mit der Pfote an, so daß sie wegrollt – und über die Kante ins Wasser fällt. Tollkühn unternimmt der achtjährige Sammy (Nicolaus von der Recke), der Besitzer des Hamsters, einen Rettungsversuch, von dem er dann selbst gerettet werden muß.

Der Hamster ist Titelheld des Kinderfilms „Rettet Raffi“ (2015) und sollte sich eigentlich gerade von einer Herzoperation erholen. Aus Versehen wurde er aber bei einem Autodiebstahl mit entführt. Der Gauner Rocky (Albert Kitzl) weiß erst einmal nichts mit dem Goldhamster anzufangen, so daß er ihn kurzerhand aussetzt. Nun beginnt die wilde Jagd, die ein wenig an Erich Kästners „Emil und die Detektive“ erinnert: Sammy will seinen kleinen Freund wiederhaben, Schwester Molly (Sophie Lindenberg) hilft widerwillig, und Rocky könnte Raffi jetzt eigentlich doch ganz gut für seine kriminellen Machenschaften gebrauchen. Rasant führt die Suche vom Hamburger Hafen über ein heruntergekommenes Haus bis hin zu den Aufnahmen einer Fernsehsendung.

Dabei ist der Film teilweise humorvoll, teilweise dramatisch. „Niemand verläßt seinen Freund, wenn er gleich stirbt“, sagt beispielweise Sammy so anklagend, wie es nur ein Achtjähriger kann. Mutter Helene (Henriette Heinze) ist mitfühlend, aber als zeitweise Alleinerziehende eher auf das Praktische fokussiert, und die vierzehnjährige Molly neigt zu einer Taktlosigkeit, wie man sie zuweilen nur Geschwistern gegenüber an den Tag legt. Es ist eben nicht alles immer eitel Sonnenschein, aber man hält zusammen.

Die emotionalen Szenen werden immer von heiteren Momenten aufgelockert. Nicht zuletzt die erfundene Fernsehsendung „Tommy, welche Tür“, in der ein Hamster die Entscheidungsgewalt über den Spielverlauf hat, sorgt für Schmunzeln.

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch von 2012, das der Regisseur Arend Agthe und die Schauspielerin Bettina Kupfer (im Film in der Rolle von Miranda, der anfänglichen Freundin Rockys) zusammen geschrieben haben.Zunächst sei jedoch die Idee für einen Film vorhanden gewesen, sagt Agthe, der unter anderem an den Kindersendungen „Löwenzahn“ und „Siebenstein“ mitwirkte. „Wir wollten einen Jungen zeigen, der nicht losläßt, dem sein kleines Tier wichtiger ist als alles andere. Uns war wichtig zu zeigen, daß etwas Kleines eine ganz große Bedeutung haben kann.“ 

Raffi wurde von insgesamt 15 Hamstern dargestellt. Welcher Hamster welche Rolle übernahm, hing von deren jeweiligen Vorlieben ab. Hamster können nämlich alle schwimmen, manche tun das aber nur, wenn sie gezwungen sind. Tiertrainerin Carola Conrad hatte ein halbes Jahr Zeit, mit den Tieren zu arbeiten. So konnte sie langsam die drei Hamster, die am Wasser interessiert waren, an die Anforderungen gewöhnen. Im Nachspann wird dann über die Eigenheiten von Hamstern aufgeklärt. „Im richtigen Leben sitzen Hamster nicht in Baggern, klettern nicht über Dächer oder treiben Flüsse entlang.“ Gut zu wissen.