© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/15 / 23. Oktober 2015

Frisch gepresst

Schalker Jung. Gern verweist der Bundesligist FC Schalke 04 auf seine ruhmreiche Geschichte. Selbst Fußballmuffel verbinden daher den Vereinsnamen mit dem legendären „Schalker Kreisel“, zu dem neben Hermann Eppenhoff, Fritz Szepan, Ernst Kuzorra und Ernst Kalwitzki auch Adolf Urban zählte. Die Ballkünste dieses Quintetts bescherten Schalke 04 zwischen 1934 und 1942 den fünfmaligen Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Der auch in der Nationalmannschaft erfolgreiche „Ala“ Urban ist im Mai 1943 im Nordabschnitt der Ostfront gefallen und fand auf dem Soldatenfriedhof Korpowo eine Ruhestätte, bevor seine sterblichen Überreste 2013 „nach Hause“ geholt und auf dem Schalke-Friedhof beigesetzt wurden. Trotz des blank polierten Images als „Traditionsverein“ zeigte sich das Management jedoch lange desinteressiert an dieser Umbettung, die allein auf die Hartnäckigkeit Karl Brockmanns zurückzuführen ist. Der Architekt des Jahrgangs 1924, jugendlicher Urban-Fan und 1943 zufällig am selben Frontabschnitt wie sein Idol eingesetzt, wollte damit ein Zeichen gegen das Vergessen der gefallenen Wehrmachtssoldaten setzen. Das ist ihm nicht nur mit seiner Initiative zur medial viel beachteten Urban-Umbettung, sondern auch mit der minutiösen Darstellung seiner eigenen Kriegserlebnisse an der Ostfront gelungen, die im April 1945 abschließen, als ihn ein wundersamer „Tapferkeitsurlaub“ aus dem Kurlandkessel rettete. (ob) 

Karl Brockmann: Von Leningrad bis Kurland. 3., erweiterte Auflage. Selbstverlag (karl.brockmann@t-online.de), Winterberg 2015, gebunden, 181 Seiten, Abbildungen, 20,50 Euro




Rot-braun. „Mein Kampf“ wandert vom Weihnachtstisch direkt ins knisternde Ofenfeuer, dazu immer wieder rote Papierfähnchen, die Internationale und „Rot Front“-Rufe, beziehungsweise „Ho Front“, wie der kleine Günter mißversteht. Anschaulich bis ins kleinste Detail beleuchtet Günter Lucks sein Proletariermilieu in der Weimarer Zeit. In fließenden Übergängen wechselt er immer wieder vom Arbeiter-Szenebild seiner Familiengeschichte zu historischen Rekursen. Die rote Nostalgie mag zu Beginn trivial wirken, aber schließlich wird dem Leser der gegenwärtig vielen paradox klingende Buchtitel doch erschlossen. Es sind kleine, einzelne Beobachtungen und geäußerte Sehnsüchte, die die Verwandlung des kleinen Günter zum Hitlerjungen verdeutlichen. (cop) 

Günter Lucks, Harald Stutte: Der Rote Hitlerjunge. rororo, Hamburg 2015, gebunden, 233 Seiten, Abbildungen, 9,99 Euro