© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/15 / 23. Oktober 2015

Knapp daneben
„Peeple“ – eine vertane Chance
Karl Heinzen

Wer für eine humane Gesellschaft eintritt, muß den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Diese Maxime stand wahrscheinlich der Amerikanerin Julia Cordray vor Augen, als sie ihre App „Peeple“ ersann, die ab November zur Verfügung stehen soll. Die Idee ist so einfach wie revolutionär. Das Internet bietet jedem ungezählte Möglichkeiten, pausenlos irgend etwas zu bewerten. Auf Amazon lassen sich Produkte rezensieren, Ebay-Kunden dürfen Frust oder Freude über Händler loswerden, und wer in einem Restaurant gegessen hat, kann auf Online-Plattformen anderen empfehlen oder abraten, gleiches zu tun.

Immerzu geht es hier aber nur um Produkte, Dienstleistungen oder Firmen und nie um Menschen aus Fleisch und Blut. Das Glück des einzelnen hängt jedoch gar nicht so sehr davon ab, wie er als Konsument seine Bedürfnisse in der Warenwelt befriedigt. Ausschlaggebend sind vielmehr die Mitmenschen, mit denen er zu tun hat. Sind sie nett oder widerwärtig, vertrauenswürdig oder hinterhältig? Es dauert seine Zeit, bis man weiß, woran man bei ihnen ist.

Das ursprüngliche Konzept sah vor, daß jeder ein Profil seiner Freunde, Bekannten oder Kollegen anlegen kann.

„Peeple“ sollte hier die überfällige Orientierungshilfe bieten. Das ursprüngliche Konzept sah vor, daß jeder ein Profil seiner über 21jährigen Freunde, Bekannten oder Kollegen anlegen kann, sofern er über deren Handynummer verfügt und sie möglichst auch schon auf Facebook präsent sind, um sie dann nach einer Fünf-Sterne-Skala in den Kategorien „Persönlich“, „Dating“ und „Beruflich“ zu bewerten.

Eine Welle von fanatischem Haß bis hin zu Morddrohungen hat Julia Cordray nun allerdings einknicken lassen. Wer bewertet wird, muß, nicht anders als bei LinkedIn, dem Urteil zustimmen, bevor es für andere sichtbar wird.

Dies ist, man kann es nicht anders nennen, Zensur, und eine solche steht weder dem Staat noch dem einzelnen zu. Natürlich gibt es bösartige Menschen, die andere mutwillig ins schlechte Licht rücken. Ihre Schmähungen bleiben aber unbeachtet, wenn man unbeirrt ein gutes Beispiel abgibt. „Peeple“ hätte den Menschen eine Mahnung sein können, stets so zu sein, wie man von anderen gesehen werden möchte. Diese Chance ist nun vertan.